Von Jean Paul an Emanuel. Hof, 21. April 96.
Brieftext
Mein Emanuel,
„Que de bruit pour une omelette!“ Das ist meine Antwort.
Hätten Sie das Blätgen sogar verloren: so würd’ ichs aus
meinem
Gedächtnis und einigen Ruinen palingenesieret
haben, ohne darüber
mehr böse zu sein als ich es bin, wenn Sie
— Kopfschmerzen haben
oder ein Jahr älter werden. Wir können
und sollen — unser wahn
sinniges Gefühl
belle noch so laut dagegen — über nichts als über den
Willen zürnen. Hätten Sie zufällig
stat etwas wegzulassen, etwas
beigepakt, z. B.
Exzerpten aus dem Talmud: so hätt’ ich Ihnen ge
rade so viel zu danken als jezt zu
vergeben gehabt — nichts nämlich.
Für das Abschreiben hingegen
kan ich Ihnen keine Verzeihung schreiben
sondern — Dank. — Nur
bitt’ ich Sie, es nicht aus den Händen zu
geben, sondern es
lieber vorzulesen als wegzuleihen. —
Ich bin in einem andern Fal als andere Autoren: meine Arbeiten
gefallen mir wie Kinder den Müttern, am allerwenigsten, wenn ich
sie gemacht habe, sondern erst später: denn dort seh’ ich noch
das Ideal,
das meiner Seele glänzend sas, noch vor mir und den
Abstand zwischen
ihm und meiner Kopie; hingegen lange Zeit
darauf ist das Ideal zer
flossen
und ich kan dan das Stief-Bild davon eher ertragen. —
Die Montierungsstücke, unser transzendenter Balg, sind sehr schön
und sehr wolfeil. Aber die Rechnung des
Schneider[s] und Nähters
kont’ ich nicht ausfindig machen. Meinen herzlichen Dank für
Ihre
Mühe und alle andere warme Quellen aus Ihrem schönen
Herzen,
worunter auch Ihr Brief über das „Wechseln“
gehört. Ich bin mit
Ihnen einig, ohne mit mir uneinig zu sein.
Fränklin wil ich — nicht
hier, sondern auf Ihrem blauen Kanapee — medizinisch gegen
Sie
vertheidigen. Ueberhaupt wil ich Ihre Briefe nach
Bayreuth mit
nehmen und gegen diese angeschlagenen
Theses gegen mich an Ihrer
rechten Seite — denn Sie
sezen mich alzeit des Trinkens wegen näher
an den Tisch —
freundlich opponieren. Ich brauche leider zum kleinsten
Schus,
den ich gegen fremde Lehrgebäude abfeuern wil, mehr Papier
als
man bei einem ganzen Vogelschiessen verlädt. —
Ich bitte in Ottos Namen um Ihre Bitte und Frage bei H. Elrodt,
ob er ihm nicht die Akten des tridentinischen
Konziliums verschaffen kan.
Diese Bitte hab’ ich leider schon
einmal vergessen.
Herold kömt wahrscheinlich zu einerlei Zeit mit diesem Brief
nach
Bayreuth.
Richter
N. S. Den Tag und die Dauer meiner Reise kan ich des Wetters
wegen und meiner Narheit wegen nicht bestimmen. Ich erwarte
alle
Vergnügungen vom Zufal. Wenn ich geniessen mus: so entbehr’ ich.
Wenn ich mein
Ehren- und nicht mein Psevdo-Wort gegeben habe,
zum Essen zu kommen: so
möcht’ ich lieber fasten. Unsere moralischen
Handlungen
stehen unter der Gewissens Subordinazion: warum sollen
uns nicht einmal die Vergnügungen
frei bleiben? Und doch haben
die wahnsinnigen Menschen ihre
Freuden, Gastmäler, Lustfarthen etc.
in Frohndienste
verkehrt. Adieu!
2. Pstpt. Streichen Sie in Ihren Briefen aus was Sie wollen;
auch das gehört zum Freiheitsbaum der Seele, den leider aller Teufel
entblättert, beschneidet und köpft
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_291.html)