Von Jean Paul an Emanuel. Hof, 15. April 1796.
Brieftext
Guter!
Bayreuth d. \nicefrac {15}{IV}
96 — solten Sie heute schreiben, um das Monath
vom Tage zu trennen. „4. 5. 96.“ ist 4 oder 5 das Monath? — In
der Freundschaft giebt es keine Vorrede mehr: man darf darin
das
Wichtigste im Scherz und den Scherz als Wichtigkeit
sagen.
Wenn wir glauben, daß wir jemand etwas schicken, was für seine
Seele ist: so lieben wir ihn eben darum mehr. Ja oft lieben wir ihn
darum mehr, weil wir etwas von ihm fodern. Ich und Sie,
mein
Lieber, werden uns immer fester umarmen, je öfter wir
zusammen
kommen. Im Anfang einer
Bekantschaft drükt man mehr Liebe aus als
man hat; in der
Mitte derselben 10000 etc. mal weniger als man hat.
Hier send’ ich Ihnen an Briefes stat einen von den Aufsäzen für
Becker in Dresden, weil Sie ihn doch schwerlich gedrukt in
die Hände
bekommen. Mein Otto sezt ihn um einen \nicefrac {1}{100} etc. Zol über die „Rede
des todten Christus, daß kein Gott sei“. Darum leg’ ich ihn
vor Ihr
Herz: aber ich mus Sie bitten, daß Sie ihn Dienstags
Der Zweideutigkeit wegen: montags spedieren Sie ihn.
abends
wieder auf dem heutigen Plaz ankommen
lassen. Die einzelnen mit
Ottoischen Bleiweis belorbeerten
Blätter sind aus der ersten Aus
gabe noch. Wil unser guter Schäfer — dem ich nur aus geistiger
Paralysie [!] die
Antwort so lange schuldig bleibe — und Elrodt den
Aufsaz in dem kleinen Zeitraum hören oder lesen: ich werde
ihnen
und Ihnen danken. —
Leben Sie wol, mein Emanuel. Uns kan nie etwas anders
trennen
als das Laster; darum bleiben wir beisammen.
Glauben Sie nicht, daß ein fremder Kummer, den man errathen
mus, grösser scheint und schwerer drükt als einer, der in bestimte Worte
eingeschränket wird? — Ich wil Sie lieber vernehmen als
errathen.
Gute Nacht!
Richter
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_289.html)