Von Jean Paul an Wilhelmine von Kropff. Bayreuth, 14. Mai 96.
Brieftext
Das erste was ich in Bayreuth begehrte, war eine Feder, um
Ihnen, gnädige Frau, zu melden, daß mich das Wetter nur
ein
einziges mal, — am Donnerstag —, zum Lügner gemacht.
Mögen um
die Träume Ihres heutigen Morgenschlafs so viele
Blumen und
Blüten und Hofnungen geflogen sein als meine
wachen unter Weges
umgaben, wo ich immerfort die schöne
Perspektive Ihrer Gegend
und — dieses Blätgens hatte. Von
Ihrem Stilschweigen auf lezteres
werd’ ich die eigennüzige
Auslegung machen, daß ich endlich, endlich
um 5 Uhr abends
meine Pfingstfeiertage anfangen und Sie sehen
darf. — Da heute
Sonabend ist, wo in allen Kirchen absolvieret und
vergeben
wird: so haben Sie genug Gelegenheit, Ihr Zimmer zu
meinem
Tempel und Ihren Stuhl zu meinem Beichtstuhle zu machen
und dem armen Jean Paul die vielen Sünden, die Sie nicht
hören
sondern sehen, mit der Nachsicht der Freundschaft zu
vergeben. Ich
habe das Glük, mitten im Frühling — und blos eine
¼ Stunde von
Ihnen vol Hofnung — vol Freude — vol Erwartung zu
sein
innigst verehrender Freund
J. P. F. Richter.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_311.html)