Von Jean Paul an Charlotte von Kalb. Hof, 17. August 1796.
Brieftext
Seine [Herders] Werke waren kühle Quellen
für meinen Durst in der
Sandsteppe von Hof. Wenn es kein Papier mehr gäbe, müste man
alle
Priesterröcke dazu verarbeiten, damit er seinen Erlöser darauf
schriebe
— Sagen Sie ihm den wärmsten Dank mit Ihren Lippen so —
stum
Sie können. Ihre Seele geht gern bergauf bergab, aber
der Stand
auf Einer Spize des Gipfels durchschneidet sie. Die
Flamme Ihres
Geistes verwandelt in derselben Minute die Gerüste
Ihres Gebäudes
in Asche — Ihre Entschlüsse sind zu stark, um
gehalten zu werden. Die
Abendröthe des
unter[ge]gangnen Junius steht jezt
hinter einem Berg
oder Grab und schimmert mich an — ach sie
bleibe, bis die Sonne
wiederkömt. Sie werfen mir das Vergessen
des Briefs vor: hab’ ichs
denn vergessen, daß Sie darin die
Arie [von Rousseau] versprachen?
Wir sahen uns eine Stunde und diese fülte die 4 Augen mit
geistigen
Thränen. Er trägt das goldne Vlies der Tugend an
seiner warmen
Brust.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_381.html)