Von Jean Paul an Charlotte von Kalb. Hof, 17. August 1796.

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Brieftext

Kopie
[ Hof, 17. Aug. 1796 ]

Seine [Herders] Werke waren kühle Quellen für meinen Durst in der
Sandsteppe von Hof. Wenn es kein Papier mehr gäbe, müste man alle
Priesterröcke dazu verarbeiten, damit er seinen Erlöser darauf schriebe
— Sagen Sie ihm den wärmsten Dank mit Ihren Lippen so — stum
Sie können. Ihre Seele geht gern bergauf bergab, aber der Stand
auf Einer Spize des Gipfels durchschneidet sie. Die Flamme Ihres
Geistes verwandelt in derselben Minute die Gerüste Ihres Gebäudes
in Asche — Ihre Entschlüsse sind zu stark, um gehalten zu werden. Die
Abendröthe des unter[ge]gangnen Junius steht jezt hinter einem Berg
oder Grab und schimmert mich an — ach sie bleibe, bis die Sonne
wiederkömt. Sie werfen mir das Vergessen des Briefs vor: hab’ ichs
denn vergessen, daß Sie darin die Arie [von Rousseau] versprachen?
Wir sahen uns eine Stunde und diese fülte die 4 Augen mit geistigen
Thränen. Er trägt das goldne Vlies der Tugend an seiner warmen
Brust.

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 2. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1958.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

K: Ostheim 17 Aug. 96. i (nicht nach K): Denkw. 2,27. A: IV. Abt., II, Nr. 136. 234,3 kühle Quellen] eine kühle Quelle i 7 Ihre bis 10 werden.] steht beiFörster in Nr. 396 (Denkw. 2,31) mit folgenden Abweichungen: 7f. derStand auf Einer] die 9 Ihrer künftigen Gebäude nach 10 werden; folgtnoch: aber sie sind es nicht, der Zustand und die Verhüllung ist zu stark, undich kann vieles weder lösen noch errathen. — 15 Wir bis 17 Brust.] fehlt i;dafür steht folgender Absatz: Es ist sonderbar, daß ich Ihnen alle die Vorwürfe machen wollte, die Sie mir machen. — Meine Feder war in literarischenDiensten, wie meine Zeit. Sie errathen nicht, wie sehr meine Geschäfte meineVergnügungen beschränken, aber Sie könnten mir wenigstens jede Stunde desTags eine Sylbe schenken. — Hätten Sie ein Buch geschrieben, so hätt’ ich dochden Wiederschein Ihrer Feder vor mir und entbehrte Briefe desto leichter.Ich will aber die Erwartung eines Briefes, sowie die Witterung voraussagen:14 Tage nach dem Empfang des jetzigen haben Sie seinen Successor. Die„Teufelspapiere“ können Ihnen nicht gefallen, wohl aber Knebel’n. SuchenSie nur das Ernsthafte auf. Die Sorge der Veränderlichkeit überlassen Siedem, der sie hat, mir. Ich weiß gewiß, Ihre Seele geht gern und leicht bergauf,bergab [vgl. 234, 7 ]. — Wenn ich Ihre Liebe verloren habe, so haben Sie doch meine stumme noch. — Es folgt noch ein Absatz, der zweifellos nicht hierhergehört, sondern in Nr. 515 ( 292 , 24–27 ).

Nach der zu Nr. 396 mitgeteilten Stelle, deren Echtheit aber zweifelhaftist, enthielt der Brief den Vorschlag eines Zusammentreffens (in Leipzig?vgl. Nr. 590†). 234, 14 Arie von Rousseau: s. zu Nr. 356; vgl. A: „Ichhabe l’air à trois notes, aber dieß kann ich nun nicht aus meinen Händengeben, damit aus Jean Pauls Herzen eine andere Sehnsucht [zur Krüdener]ausgedrückt werde ...“ 15 Wir = Jean Paul und die Krüdener. 16 Er =Friedrich von Oertel?

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_381.html)