Von Jean Paul an Caroline Liebmann. Bayreuth, 11. Oktober 1796.
Brieftext
Der schönen Stunde ein 2tes Leben geben und die innern
Freuden
eines flatternden Abends malen, um sie zugleich zu
vergrössern und zu
verewigen. Im leeren hinunter stürzenden
Leben [wird] wenig wieder
holt, ach selten wird ein Tag erneuert,
geschweige ein Zustand. Die
Entfernung des Orts giebt wie die
gröste, die uns in eine 2te Welt
hinüberwirft, der bedekten Gestalt einen magischen Schimmer. —
Das
unendliche von Sternen, aber nicht von Wolken
versilberte blaue Ge
wölbe — die halb der
innigsten Wonne halb dem Erdenschmerz ge
hörende Thräne — Herbst der Nachklang des verstumten Sommers:
— nur bei uns geb’ es keinen Nach- sondern Einklang — Ihre Tugen
den und Blumen und der kleine Dornenbesaz
— Es giebt keinen Unter
schied zwischen
Freundschaft und Liebe als Eifersucht. Die Freund
schaft hat also eine Freude mehr und die Liebe hat einen
Schmerz
mehr.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_425.html)