Von Jean Paul an Amöne Otto. Hof, 21. März 97.
Brieftext
Liebe Amöne,
Herzlich dank’ ich der lieben Blumistin für das Blumenstük, und für
den Brief, in dem die Früchte dazu waren. Ein Migräne-Tag ist
für
mich, wie Sie wissen, ein Sontag, ein Geburtstag
gar ein Bustag, wo
ich dem Genius der Welt keinen Dank für die
Vergangenheit bringe —
die Seele erläge unter dem Dank — als
etwan den, wenn es einer sein
könte, daß ich einige Kornblumen
aus meinem Herzen ausreisse und das
Samengetraide der andern
Welt ein wenig begiesse. Der Mensch
müste erröthen und
verstummen, wenn ihn mitten im gerührten Danke
ein höheres
Wesen fragte: „die Rührung wird dir leicht; aber warum
besserst du dich lieber nicht?“ —
Ach Zerstreuungen und Arbeiten zerreissen die friedliche Fassung und
Aufsicht am ersten, die zum Gutsein gehört.
Ach meine Liebe war immer zu Ihnen, Amöne, so stark und so herz
lich gewesen: nur Sie waren zuweilen noch stärker als jene
und ich sah sie
gehen und kommen, wie Sie es wolten. Da Sie
alles über sie vermögen:
so machen Sie, daß sie ewig, ewig
nicht eine Minute, nicht auf die kleinste
Ferne, von mir
weiche! — Denn schon die kleinste thut mir zu weh ...
N. S. Ich hoffe und wünsche. daß wir uns heute bei unserm ge
meinschaftlichen Freunde antreffen
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_562.html)