Von Jean Paul an Caroline Liebmann. Hof, Anfang Juni 1797.
Brieftext
Ein Geburtstag sol eigentlich der Todestag des innern Unkrauts
[sein], das sich zwischen unsre Blüten und
unsre Früchte mengt — Das
Schiksal kan nur die Gewänder
umändern, in denen wir uns sehen und
umfassen, aber das
Herz unter dem Gewand ändert sich nie. — Ich
fodere nur die
ewige Reinigung und Erhöhung der Liebe d. i. die
reifende
Tugend. — Die Aussicht, die Sie nicht durchbrechen oder
durchschauen können. — Dieses mit dickem Dornengesträuch durch
wachsene Leben durchschauen wir nur mit troknen Augen. Was
glauben Sie daß der
unendlichen Brust, an die sich das Universum
lehnt, gefält zu
sagen: „ich war froh auf deiner Welt und habe andere
erfreuet“
oder zu sagen: „ich habe mich ins Grab gequält und wer mich
liebte, den durchdrang mein Schmerz“. An meinem Herzen sollen deine
Thränen abfallen. Schone mein Herz, denn es ist zu warm und
zu
wund — und erduldet nichts als Freude und
Sehnsucht — schone es
und liebe es.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_627.html)