Von Jean Paul an Friedrich Benedikt von Oertel. Hof, 13. Juni 97.

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Brieftext

Hof d. 13 Jun. 97.

Wirst du meinen Brief vielleicht schon unter oder in dem Himmel
von Belgershain erbrechen? Wirst du schon, von nichts als Liebe um
geben, ruhig sein und wird dein glükliches Auge auf nichts mehr fallen
als auf die grosse Natur, die das Sehnen nährt, und auf die schöne
Gestalt, die es stilt, auf 2 Frühlinge auf einmal? — Mein ganzes Herz
wünscht, daß es dir schon so sei.


Dein Urtheil über das Campaner Thal ist das von Otto, wiewohl
ihr beide den Zauber des Originals zu sehr auf die Rechnung des
Portraits und Portraitmalers schreibt. Ich hab’ es — kleine Studien
dazu abgerechnet — vom 6 Jenn. bis zum 10 Febr. und den Kommen
tar von da bis zu Ende des Märzes unter einer Stube vol Haus
haltungslärm gemacht: doch hab’ ich jezt ein besseres, mehr geräumiges
Logis und arbeite in einem besondern Zimmer. — Meine genialischen
Läugner der Unsterblichkeit würd’ ich mit keinem Beispiele aus einem
Romane entschuldigen — denn das mus erst selber entschuldigt werden
— sondern mit der Geschichte, daß es einen Zäsar, Friedrich II.,
Göthe, einen empfindsamen Diderot gab, die sie alle nicht behaup
teten. Gerade die wärmsten Menschen (z. B. mein[en] verstorbnen
Oerthel) sah ich daran zweifeln. Keine Kraft des Geistes, keine
Schönheit der Seele kan wenigstens Epochen eines solchen Zweifels
verhüten. —


Ich füge nun die stükweise seit 4 Jahren gesammelten Gebeine zu
einem Knochengebäude <Plane> für meinen Mahmuth-Titan zu
sammen: dan überzieh’ ichs mit seinem Nerven- und Adernsystem.
Schicke mir ja den Merkur, ob gleich von dem 1 Kapitel, das du ge
lesen, nicht Eine Zeile und Szene bleibt. Lebe glüklich, Guter!


R.

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 2. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1958.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Berlin JP. 4 S. 8°. K (nach Nr. 627): Oertel 13 Jun. J: Denkw. 1,356×. 342,28 erbrechen] davor gestr. treffen? H 34 Originals] davorgestr. Stofs Gegenst[ands] H 343,14 Gebeine] aus Beine H, Beine K 18 Eine] aus eine H

Oertels Trauung fand erst am 3. Juli 1797 statt. 343, 11 Oerthel: vgl.Bd. I, Nr. 82 und 335, 131,18, 305,14f. 17 Im 5. Stück des Teutschen Merkurs, Mai 1797,stand eine kurze Anzeige des Kampanerthals.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_642.html)