Von Jean Paul an Friedrich Benedikt von Oertel. Berlin, 2. März 1801.
Brieftext
Kein Brief kan so lange [!] sein als der,
den ich dir jezt schicke in
der Gestalt meiner Freundin, der
Gräfin Schlabrendorff. Sie wird
dir den Himmel meiner Liebe und mein Leben auf dem hiesigen
Pflaster
am besten malen. Auch ist sie eine innige Freundin
meiner Caroline. —
Glaube mir auf mein Wort die Güte ihres Karakters, nicht aber
dem
wilden Gerüchte das Gegentheil; die beste Probe
ihres Werthes ist
ihr Werk, die Kopie desselben, ihr herliches
Kind. — Sie wird dich
in wichtige Geschichten hineinführen.
Die deinige lässest du mich, deiner neuern Sitte gemäs, kaum
ahnen. —
Tiek, Bernhardi, Schleiermacher etc. besuchen mich oft;
auch
Fichte ist gut mit mir, obgleich zwischen uns nur solange
Waffenstill
stand ist, als wir trinken. —
Die Königin hat mir ein silbernes Thee- und Kaffeeservice geschenkt.
— Lasse dir die Fr. v. Krüdner von
der Schl. schildern; — ich hatte
doch in Hof Recht.
Gehe doch mit Thieriot um; du findest in Leipzig keinen
geniali
schern associé.
Mein Arbeits-Schacht — und die Visitenzimmer — haben mich
bisher fast von jedem Briefwechsel abgesondert; künftig hebt sich diese
Sperre. Ich schliesse schon, weil ich mich auf das Kollaborat
meiner
Freundin verlasse.
Lebe recht wohl, mein guter Oertel; dein Stilsein gegen mich schmer
zet mich; ich aber bleibe ewig der Alte in
meinem Herzen für dich.
Deine Sophie sei aus meinem Innersten
gegrüsset. Es scheinen Wolken
um deine Berghöhe zu hängen; mögen die Frühlingslüfte
sie verwehen!
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/IV_104.html)