Von Jean Paul an Johann Wilhelm Ludwig Gleim. Meiningen, 11. Juli 1801.

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Brieftext

Meiningen d. 11. Jul. 1801.

Verehrtester! Würden öfters die Gebote der Liebe so auf silberne
Tafeln gegraben: so hielte sie der Gesezgeber leichter durch das Geben
und der Empfänger durch das Danken. Aber Sie sind zu gut, Einziger,
gegen mich und es so oft; was andere Dichter besingen, besingen Sie
zwar auch, aber Sie thun es noch dazu. Ich kan Ihnen keinen Dank
geben, und Sie brauchen auch keinen als den, daß der Same aus Ihrer
Hand zur Blüte und Frucht gedeihe.


Ich wiederhole meine Bitte der Vorrede, daß man mein Glaubens
bekentnis von dem des wilden, harten, aber doch ehrlichen Giannozzo
trenne, denn ich lies ihn ja sogar mich selber anfallen.


Ich lebe hier an meinen geliebten Bergen und unter unbefangenen
Menschen und am reichen Herzen meiner Karoline seelig und stil.

Von mir erscheint jezt nichts, ausser zu Ostern der dritte Titan;
und in Jacobis Taschenbuch ein Aufsaz „Über den Tod in der zweiten
Welt“, oder über die Art der künftigen Unsterblichkeit.


Mögen Ihre Augen die einzige Unähnlichkeit bleiben, die Sie von
alten Dichtern absondert! Und mögen so viele Freuden, nicht blos
aus Ihrem ewig jungen Herzen, sondern auch zu ihm kommen!
Und immer umgebe Sie Liebe!

J. P. Fr. Richter


Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

K: Gleim 11. Jul. * J: Körte. B: IV. Abt., IV, Nr. 149 und 156. A: IV. Abt., IV, Nr. 164.

Vgl. 87, 1–3 und 93, 19–21. Das silberne Schreibzeug befand sich im Besitzvon Jean Pauls 1944 verst. Urenkel Siegfried Kallenberg. 85, 19–21 Vgl.I. Abt., VIII, 401,3ff. und 439,12f.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/IV_161.html)