Von Jean Paul an Johann Wilhelm Ludwig Gleim. Meiningen, 11. Juli 1801.
Brieftext
Verehrtester! Würden öfters die Gebote der Liebe so auf silberne
Tafeln gegraben: so hielte sie der Gesezgeber leichter durch das Geben
und der Empfänger durch das Danken. Aber Sie sind zu gut,
Einziger,
gegen mich und es so oft; was andere Dichter
besingen, besingen Sie
zwar auch, aber Sie thun es noch dazu. Ich kan Ihnen keinen Dank
geben, und Sie brauchen auch keinen als den, daß der Same aus
Ihrer
Hand zur Blüte und Frucht gedeihe.
Ich wiederhole meine Bitte der Vorrede, daß man mein Glaubens
bekentnis von dem des wilden, harten, aber
doch ehrlichen Giannozzo
trenne, denn ich lies ihn ja sogar mich selber
anfallen.
Ich lebe hier an meinen geliebten Bergen und unter unbefangenen
Menschen und am reichen Herzen meiner Karoline seelig und stil.
Von mir erscheint jezt nichts, ausser zu Ostern der dritte Titan;
und in Jacobis Taschenbuch ein Aufsaz „Über den Tod in der
zweiten
Welt“, oder über die Art der künftigen
Unsterblichkeit.
Mögen Ihre Augen die einzige Unähnlichkeit bleiben, die Sie von
alten Dichtern absondert! Und mögen so viele Freuden, nicht blos
aus Ihrem ewig jungen Herzen, sondern auch zu ihm kommen!
Und immer umgebe Sie Liebe!
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/IV_161.html)