Von Jean Paul an Caroline Friedericke von Berg. Meiningen, 13. Juli 1801.
Brieftext
Verehrteste Freundin! Ich komme früh wieder zu Ihnen, aber
freilich nicht an Ihrem sondern nur an meinem Tisch. Meine bisherige
Lebensgeschichte kan ich Ihnen zu erzählen wagen, da sie blos
mit
den zwei Sylben „Freude“ erzählt ist. — Diese
leztere hatt’ ich und
meine Frau bei Herder 14 Tage lang. — Wir finden hier viele ent
gegenkommende Menschen, obwohl freilich
keine diners d’esprit am
Leipziger
Thore; und die sanfte Berg-Schlangenlinie der Gegend hat
wenigstens Reize genug, um die geraden Linien der Berliner
Tenne
auszulöschen. —
Unser aller Freund Gleim hat mir herzliche Verse geschikt,
sogar
welche auf Silber und zugleich ihren Geburtsort mit — nämlich
ein
silbernes Schreibzeug.
Ich sehne mich und freue mich auf die Nachrichten, die Sie mir
von unserem geliebtesten Prinzen geben werden, dessen poetische Natur
so tief im Norden eine so schöne Erscheinung ist als das
Elfenbein in
Siberien. Das Schiksal geb’ ihm einen Freund, wie
er eine Freundin
hat: so braucht er dan nichts weiter als — sich; und seine
Unter
thanen einmal nichts weiter als —
ihn. Sagen Sie ihm meine herz
lichsten
glükwünschenden und verehrenden Grüsse. Sein Herz schlage
unter keinem Stern als dem des Glüks, der Liebe, und der Weisen
zugleich.
Ich bin noch immer in Berlin eingepfart; denn ich hatte die
höchste
Freude über die glükliche Niederkunft der Königin. — Und so
werd’
ich eine innige haben, wenn Sie mir schreiben und mir die
Gestalt
Ihrer jezigen Tage und der Ihrer
liebenswürdigsten Kinder malen.
Immer scheine Ihrer Seele eine Sonne oder doch ein Mond! —
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/IV_163.html)