Von Jean Paul an Caroline Friedericke von Berg. Meiningen, 14. September 1802.
Brieftext
Gnädige Frau! Mit einigen Tropfen Dinte wil ich blos mich in
Ihrem Gedächtnis wieder neu überziehen. Sie kennen den Inhalt des
meinigen sehr gut, da Sie noch nicht ein einziges mal
eintunkten, um
mir die Vergangenheit wieder zu übermalen. — Im
vorigen Jahre
schrieb ich an Sie.
Ich bin sehr begierig nach Ihren Nachrichten von Ihrem geistigen
Pflegesohn, dem Prinzen George, der
nun das Land der Schönheiten
mit seiner eignen durchzieht. Die Herzogin von Hildburghausen
hab’
ich seitdem einigemal gesehen und gehört; sie blüht noch und
singt
noch. Sie sol, wie ich höre, wieder „guter
Hofnung“ sein; welche die
einzige ist, deren Erfüllung ich ihr
nicht wünsche. Sie stirbt sonst am
Beleben. Sie hat nun wenn
nicht ihre Echos — denn Stimmen ver
erben
sich nicht so leicht als Gestalten — doch ihre Spiegel um sich an
ihren schönen Kindern.
Ich bitte Sie, mich Ihrem Echo-Spiegel im geistigsten Sin, Ihrer
Gräfin Voß zu empfehlen und ihrem
Gemahl.
Vielleicht hab’ ich noch in diesem Monat die Freude, zu meinem
Ehe-Bunde die heilige Drei zu bekommen und das Glük eines Vaters
und das noch heiligere einer Mutter zu erleben.
Bringen Sie nicht nur mich ein wenig in das reiche Gedächtnis
des dichterischen und philosophischen Ministers v.
Alvensleben —
bei dem es Schade ist, daß er mehr schreiben als drucken
lässet —
sondern auch das Kanonikat, das er und Sie allein vom
Thronhimmel
herunterrufen können irgend einmal auf den Autor
in Meiningen, der
aber nicht immer da bleibt.
Leben Sie wohl! Und bei der Kraft, womit Ihr Herz das Leben
nimt und lenkt, kan Ihnen dieser Wunsch nicht schwer zu erreichen
fallen.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/IV_311.html)