Von Jean Paul an Caroline Friedericke von Berg. Meiningen, 9. März 1803.

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Brieftext

Meiningen d. 9. März 1803.

Der Himmel schenke Ihnen immer solche Entschuldigungen Ihres
Schweigens, nämlich Freuden und Reisen! Im Februar war ich
in Weimar beinahe an Ihrem Tische — denn ich sas am Herderschen
und der edle warme Herder erzählte mir so viel von Ihnen, daß mir
war, als hätten Sie mir zweimal geschrieben wie ich Ihnen.

Da Ihre Seele, ungleich den meisten weiblichen, nicht nur empfinden,
auch handeln, und das Schiksal nicht nur mit Nerven, auch mit
Muskeln empfangen kan: so weis ihr Freund — denn so nent mich
mein Herz —, daß Sie am Ende unter den rauhesten Wolken, die
oft das Geschik über die Glüklichsten treibt, sich doch nur mehr stärken
als betrüben können.


Sie reisen nach Italien wie Sie schreiben; dan geht der Weg über
Coburg, wo Sie mich vom 1. Mai an angesiedelt treffen werden.
Ich habe mehr Hofnung, Ihnen ausser als in Berlin zu begegnen.

Nehmen Sie meinen innigen Dank für Ihre edle Sorge um mein
äusserliches Schiksal an — denn das innere ist nun durch die
gütigste Vorsehung befestigt —; nur aber theilt jene Sorge mit Ihnen
auf eine ganz entgegengesezte Weise der G. K[abinets]Rath Beyme,
an welchen zu schreiben Sie mir so gütig vorschlugen. Denn ich weis
bestimt, daß er mich — nicht liebt. Kurz in Berlin hab’ ich jezt nur die
Vorsehung und — Sie für mich; Sie sind J. Paul’s Alvensleben,
Prinz George und Königin; und wenn Sie diese Dreieinigkeit sind,
auch König Wilhelm III.

Leben Sie wohl! Ich grüsse Ihre beiden Kinder oder Geliebten
mit alter und ewiger Liebe und Achtung und Sie ohnehin!

J. P. F. Richter

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Goethe- u. Schiller-Archiv. 4 S. 8°. K: Fr. v. Berg — i: Denkw.3,100. B: IV. Abt., IV, Nr. 274. 206,15 wie ich Ihnen] nachtr. H 18 Ihr K 21 können] aus werden H 22 über] aus nach H 26 an] nachtr. H 28 Beyme]aus Beume H (vgl. 73,31 )

206,25 ff. Frau v. Berg hatte geraten, unter Berufung auf das von Alvensleben (gest. 21. Okt. 1802) erhaltene Präbenden-Versprechenan den Geh. Kabinettsrat Beyme zu schreiben. „Doch auch ohne diesePräbende sorgen Sie nicht zu sehr für die Zukunft. Dem Dichter kommenja die besten und schönsten Gaben vom Himmel.“ Vgl. 127, 8–12†. 34 beiden Kinder: Graf und Gräfin Voß.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/IV_353.html)