Von Jean Paul an Karl August Freiherr von Hardenberg. Meiningen, 29. Juli 1801.

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Brieftext

Hochwohlgeborner Herr,
Hochgeehrtester Herr Geheimer Etats-,
Kriegs- und dirigierender Minister,

Ew. Hochfreiherliche Exzellenz werden dieses Blätgen mir als einen
Ersaz Ihrer gütigen zweiten Einladung vergeben, die ich durch ein
früheres unabänderliches Wort leider verlieren muste. Es enthält
eine wiederkommende Bitte, nicht für meinen Freund Otto sondern
für dessen verheirathete Schwester. Ihre Mutter, — ihre Vormün
derin — gab alles fremde und eigne Vermögen zur Unterstüzung eines
Sohnes hin, der die Hofnungen der Familie machte so wie jezt ver
nichtete. Sie starb, jene erbte nicht einmal eine Ausstattung; die beiden
edlern Brüder, die jezt so hart die Fehltritte des dritten büssen,
brachten für sie eine kärgliche zusammen, die nur durch die kleinen Er
wartungen ihres unbemittelten Mannes — des verdienstvollen Rektor
Wernlein in Wonsiedel — eine blieb. Als die Kammer den Kaufman
in Anspruch nahm, hatt’ er auf das Bitten der Brüder die schwesterliche
Verzicht auf das mütterliche Erbrecht erklären sollen, und es unter
lassen. Jezt würde ihr kleines gerettetes Glük durch das gerichtliche
Wegnehmen ihrer Trümmer gar untergehen, so wie meinem edeln
Freunde in Bayreuth jezt nichts mehr bleibt als sein Werth und das
Bewustsein seiner Opfer. — Dieses ist die reinste Wahrheit, so wie die
Verehrung für Ihren Karakter und die Achtung für den meinigen sie
von mir fodert, da diese Meinung von dem seinigen nicht eine Wirkung
der Freundschaft ist sondern eine Ursache derselben.

Mögen Ihre Exzellenz diese Bitte wenn nicht erfüllen, doch ver
zeihen! —


Ew. Hochfreiherlichen Exzellenz
ergebenst gehorsamster
Jean Paul Fr. Richter

Meiningen d. 29. July 1801 .

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Berlin JP. 4 S. 8°. K: Hardenberg 29 Jul. 92,14 kleinen] nachtr. H 24f. eine Wirkung der Freundschaft] durch Freundschaft entstanden K 25 eineUrsache derselben] umgekehrt K

Von Karoline mit einem Brief v. 27. Juli an ihren Vater nach Berlingesandt. H ist anscheinend eine nicht abgegangene Fassung, da sie ausJean Pauls Nachlaß stammt. Vgl. Nr. 154 und zu Nr. 198. Christoph warvermutlich in Konkurs geraten. 92, 6 zweite Einladung: s. 54, 17–20. —Die Bitte hatte Erfolg, s. 120, 20f., 174, 24f., 178, 27f.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/IV_169.html)