Von Jean Paul an Renate Otto. Bayreuth, 28. August 1801.
Brieftext
Liebe Renate! — Nach diesem schon vor 5 Tagen geschriebenen
Anfang fahr’ ich heute fort. Ein äffendes Schiksal, das mit den Men
schen und Freuden zu karten scheint, gab
gerade in der frohesten Um
gebung
meiner nie krank gewesenen Frau hysterische Krämpfe und
einen irrenden Arzt. Da ich endlich klüger wurde als dieser:
so wird
der schwarze Berg immer niedriger, den mir der Teufel
auf den
schönsten Weg geworfen. Schon meiner sich nach Hof sehnenden C.
wegen hätt’ ich dahin den Rük- und Umweg genommen; aber
nun
hab’ ich wenig Hofnung zu dieser Freude. Ich
hätte Sie so gerne
gesehen und — gezeigt.
Ich wäre ganz im Himmel bei meinem Emanuel, wenn der
hyste
rische Teufel nicht mit darin tobte. Ich
lieb’ ihn nun zweimal, nämlich
zugleich durch das Herz meiner
C. Über diese sag’ ich nichts;
alles, was ich bisher herumirrend unter Vielen suchte,
brachte mir
Eine zu!
Mit Emanuel sprach ich oft von Ihnen. Sie stehen jezt sehr
einsam
auf dem Eisboden, den das Schiksal unter Ihnen hingezogen.
Fassen
Sie ja die wohlthätige Hand, die Ihnen Emanuel entgegen strekt;
ich möchte
sagen, gehorchen Sie ihm unbedingt. In einigen Ihrer
Briefe an
ihn, die er mir zeigte, scheint doch einiger Schaum von
den
Wellen, womit Sie streiten, an Sie gesprizt zu sein. Alle Leiden
sollen läutern, sonst hat man ja gar nichts von ihnen. Nicht
die Freude
zerstreuet Leiden am besten — denn die zurük
getriebnen kommen nur
feindlicher wieder — sondern der
muthige, opfernde, handelnde Kampf
gegen sie.
Mit alter Liebe und mit aller Sehnsucht der Vergangenheit denk’
ich an Sie. Mög’ einmal auf Ihr gutes warmes Herz eine wärmere
Sonne scheinen! Und Ihre guten Kleinen daran recht
ausruhen!
Leben Sie wohl, liebe Renate! Schreiben Sie mir nach Meiningen
bald. Grüssen Sie Christoph! —
Meine C. grüsset Sie freundlich.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/IV_184.html)