Von Jean Paul an Rahel Levin. Berlin, 6. November 1800.

Zum TEI/XML DokumentZur originalen Webseite

Brieftext

Berlin. d. 6. Nov. 1800.

Geflügelte! — in jedem Sin; denn hier hätten Sie noch einige
Wintermonate lange Ihre Reiseschwingen zusammengelegt behalten
sollen. Mit unbeschreiblichen [!] Interesse hab’ ich einige Ihrer
Briefe von Ihrer Freundin, die sie so sehr verdient, gelesen; aber mit
eben so vielem Schmerz. Sie behandeln das Leben poetisch, und das
Leben daher Sie. Sie bringen die hohe Freiheit der Dichtkunst in
die Gebote der Wirklichkeit und wollen die Schönheiten dort, auch als
Schönheiten hier wiederfinden; — aber die poetischen Schmerzen
sind, in die Prosa des Lebens übersezt, rechte wahre Schmerzen. —
Vor der Muse ist der Teufel schön und die Parze; aber sie wohnet
nur in uns, und der Teufel so oft ausser uns und hat dan keine milde
Beleuchtung.


Leben Sie froh unter einem Volke, das Sie besser fassen werden als
dieses Sie. Schreiben Sie mir, aber kein Brief wird mir gefallen als
der längste. —

J. P. F. Richter

[Adr.] Demoiselle Levi.

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Berlin Varnh. 213 (derzeit BJK). 3 S. 8°; Adr. auf der 4. S. K: Levi 6 Nov. J 1:Berlinische Blätter f. deutsche Frauen, hgb. von Fouqué, 9. Bd., 1829,S. 56. J 2: Briefwechsel zw. Varnhagen u. Rahel, 1. Bd., Leipzig 1874,S. 95. A: IV. Abt., IV, Nr. 58. 15,33 Vor] aus In H 16,1 dan] nachtr. H

Vgl. Bd. III, 347,20, 352,20†. Über die Beziehungen zwischen Jean Paulund Rahel s. meinen Aufsatz „Ein ungedruckter Brief Rahels an JeanPaul“, Zeitschr. f. Bücherfreunde, N. F. 11. Jg., 1919/20, S. 279—282;s. auch Persönl. Nr. 167, S. 100f. 15, 27 Freundin: Frau v. Boye, s. 8,17 .

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/IV_20.html)