Von Jean Paul an Johann Siegfried Wilhelm Mayer. Ohne Ort, 23. November 1801.
Brieftext
Geliebtester Vater! Meine Caroline nimt mir allen Stof für
Sie
voraus weg; (gelehrten haben wir hier nicht;) sonst schrieb’
ich öfter.
Das Gemälde eines Himmels — wie des unsrigen — ist
ein zu ein
faches Monochroma und mit einem
grossen Blau abgethan. Wir
Beide sind seelig durch uns,
für uns; wir brauchen nichts mehr als die
Fortsezung. Desto
weher thut es uns, daß Ihr Leben immer nur den
arbeitenden
Sommer und nicht den fruchtgebenden Nachsommer ge
wint und daß Ihr Staat Verdienste mit nichts belohnt als mit
Ge
legenheiten, sie zu verdoppeln. Ich
kan Ihnen nicht sagen, wie tief
und hart meiner C. der Gedanke Ihrer Klage so wie der
Anklage
in das weiche nur aus Liebe gewebte Herz grif! Sie liebt eben
so ewig
als heftig. Daher hat die harte ungerechte Minna so sehr Unrecht, die
gerade an die Gräfin alle die Beleidigungen gegen mich
und C. wieder
holte, über deren Ausplauderung sie jene
verklagte. Ich bitte Sie,
lassen Sie sich von Minna die 〈C.s〉 Antwort auf ihren
Scheidebrief
vorlegen; denn jezt haben Sie nur einseitige
Akten gelesen. — Gleich
wohl schrieb sie
ihr vor einigen Tagen wieder und ich störte ihr schönes
Herz nicht in seiner Ergiessung, ob ich gleich gegen dieselbe bin. C. hat
kein Ebenbild und keinen
Neben-Engel weiter als Ernestine. — Leben
Sie wohl, geliebtester Vater! Meine Liebe und Verehrung für
Sie ist
so ewig wie mein Dank.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/IV_212.html)