Von Jean Paul an Christian Otto. Meiningen, 27. März 1802 bis 30. März 1802.
Brieftext
Zum Glük, Lieber, brauch ich über die ganze Freuden-Gegenwart
keine Sylbe zu sagen, da sie Emanuel sagt. Emanuel findet an allen
Orten Freunde, entweder neue oder alte; so findet er auch
hier Leute,
für die er wieder Postgeld ausgeben wird.
— Dein Name Christianus
ist gut und recht, da du einmal bei deiner verschämten
Grille bleibst.
Schicke an Wolt[man]
noch einige Vorläufer, um dein Hauptbuch
höher anzubringen. Ich bin begierig, wie du jezt die
vergrösserte
Nazion ansiehst, die ich jezt wieder wie vor der Revoluzion
nicht die
grosse nennen kan; und ob die Terroristen dich aus
deinem Systeme
schrekten. — Meine Reise nach dem Oberlande
mit dem Herzoge und
mehreren, aber in einsizigen Schlitten — weswegen ich sie
ihm nicht
zum 2ten mal abschlug —
soltest du von mir beschrieben lesen, so viel
gieng vor.
Auch im herlichen an Bergrücken gelehnten Sonnenberg war
ich; und — sonderbar, da ich beide Bekante nicht
achte — es war mir
interessant, daß das Georgium sidus da eine Frau geholt — im
ganzen Orte wird eine genant, die lieset — und daß die Liebman
sonst da war, deren fettem Ebenbilde ich noch dazu auf
einem Bal,
den der Herzog der Stadt gab, mit Lust nachsah.
In Neuhaus gab
uns ein Liebhabertheater von 4 Bauern eine kurze
Komödie. Den
Tag vorher wurde das Stük 3 mal gegeben, weil
man wegen des zu
kleinen Dach- und Theaterbodens immer die
alten Bauern hinaus und
frische hineinlassen muste. Das
Fräulein wurde von einem Kutscher
erträglich gemacht, die
Bewegungen ausgenommen, wenn man scharf
sein wil. Am
besten aber wurde der alte Baron gegeben von einem
Menschen, der eher aufs Theater als ins Zuchthaus solte, wohin er
doch nach einigen Tagen Meineids wegen bestimt war. Von
Zeit zu
Zeit wurde dem Herzoge, dem Prinzen von Hessen
Philipsthal und
dem fürstlichen vorn mitsizenden Gefolge ein Krug gutes
Bier ge
bracht, das unter uns
hinauf und hinablief.
Du warfest mir schon mehrmals einen Genus der Wilkür (unter dem
Schreiben), des Bewustseins, spielen, thun und lassen zu
können [vor].
Freund, dazu gelangt man nie mit seinen Kräften, mit denen man das
Ziel nur zu erreiten schon froh genug wäre; es zu
überreiten sind keine
da. Überhaupt zerrint das Ich vor dem
Ernst der Kunst; und die
Eitelkeit kan nie in, nur nach der Thätigkeit spielen
und stinken. —
Der 4te Band, woran
ich schreibe und der mit oder ohne 5ten das
Werk 1803 beschliesset, ist rein objektiv, so wie die 9
Bogen, die
ich am Notar fertig gebacken. — Dein ganzer
voriger 24 Seiten
langer Brief — denn durchs Durchschlagen gewint jede Seite
2 Seiten
— hatte keine schönere als deine — Anwerbung.
Längst tadelte ich
deine auch späterhin oft gewählte, nicht
aufgedrungne Ferne von
Aemtern, ähnlich meiner frühern Scheu
vor Hofmeistern, nach deren
Besiegung ich sie kaum mehr
begrif. Wie können die täglichen 2 Stun
den deines Amts dich mehr am Arbeiten hindern als das längere
Aktenwesen? Wie kanst du dich jezt bei der Abhängigkeit von
einem
prosaischen Bruder, der ja auch sterben kan, für
freier halten als bei
der von der Pflicht? — Deine
Eine neue Bahn geht dir auf — neue Verbindungen — Wege
zu andern Stellen. So viel Kräfte für das thätige Leben
lagen bisher
bei dir nur im Kasten todt. — Deine Scheu komt
von der alten Liebe
gegen die grosse Nazion mit her;
obgleich das Militair in allen
Staaten-Formen dasselbe ist. Gott hätte mir (wie dir) das
lächerliche
Glük bescheeren sollen, daß ich in einer
Uniform (wovor dir gewis am
meisten grauet) hätte
einherwandeln dürfen. Inzwischen mag sie dir
wohl anfangs
nicht ernsthaft genug lassen, wenigstens in meiner
Gegenwart.
Nach einem Jahre wirst du Gott dafür danken. — Dem Emanuel
dankst du freilich jezt nicht, weil du ihm keine Freude
darüber zu zeigen
weist. — Du hättest durchaus
mitkommen sollen, Essen und Plaz
und Lust war genug da. —
Meinen Reinhold mus ich in 4 Wochen
wiederhaben. — Mit 3 Laubtl. schikt’ ich Samuel wieder fort. —
Ich habe keine Zeit weiter zu schreiben. Grüsse Amöne recht von mir
und C., sie wird das Kleid gerne
fertigen. Der Titan ist abgedrukt. Ich
wolte dir 2 Bout. Wein mit
schicken, sie waren aber nicht zu packen.
— Recht viel
Liebe und Dank an Amoene für alles. Adio Bruder!
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/IV_256.html)