Von Jean Paul an August Leopold Emil. Gotha, 4. Juli 1802.

Zum TEI/XML DokumentZur originalen Webseite

Brieftext

Ihro Durchlaucht empfangen hier Ihr Gedicht und meine Be
wunderung desselben. Der genialischen Kraft darin fehlet nichts als
ein Ufer für einen Strom, der Himmel und Erde und alles abspiegelt.
Schwerlich verband sich je in einem Werke der Phantasie so viel
griechische, botanische, sinesische und am Ende jede Kentnis. Gleich
wohl scheint ein Kunstwerk Gelehrsamkeit und Kraft nicht in der Aus
breitung aufnehmen zu können, die beide im Kopfe des Schöpfers
haben. Das Bild der zerstörten Aphrodite — und noch mehreres —
hat Schiller der Jüngling gemacht; ich bitte Ihro Durchlaucht, älter
als er zu sein. — Krites unterschreibt weder sein Lob noch seinen Tadel,
weil er beide für zu stark hält. Die kritischen Abhandlungen, die er
vielleicht in zwei Jahren herausgiebt, werden zeigen, wie sehr sich
bisher die Kritik über ihn irte und warum er ihr so ruhig zuhörte.


Ich wünschte recht sehr das Ende dieses Wunder-Geschöpfes ge
lesen zu haben, und alles langsamer, als ich hier konte. Vielleicht be
gleitet es volendet Sie nach Liebenstein; und ich fände da den
Schöpfer und das Geschöpf. —


Gotha d. 4 Jul. 1802
Ihro Durchlaucht
Unterthänigster

J. P. F. Richter

Verzeihen Sie die Eile des Briefes dem Mangel an Zeit, die ich
lieber dem Mährgen als dem Briefe geben wolte.

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Haus- u. Staatsarchiv Gotha. 3 S. 4°. K ohne Überschrift alsSchluß der vorigen Kopie.

Es handelt sich um die ungedruckte Märchendichtung „Polyneon“,s. I. Abt., XII, 8,8ff.† und IV. Abt. (Br. an J.P.), IV, Nr. 361. 158, 22–24 Vgl. I. Abt.,V, 18, 9–14 .

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/IV_291.html)