Von Jean Paul an Emanuel. Meiningen, 10. September 1802.

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Brieftext


M[einingen] d. 10. Sept. 1802 ] [Freitag].

Eilig, da ich todt bin vom Briefstellern.


Eben wil ich das Paquet an Otto schliessen und Ihres kömt. Ich
habe wieder Freude über Ihre Freude an meiner; und so schlägt das
schöne Echo ewig hin und her. Über das Bier hat Otto etwas zu sagen.
— Im künftigen Jahre zieh ich entschieden Ihrem Brau- und eignen
Hause näher. — Meine Frau blüht als wäre sie die Blüte, und nicht
der Stam derselben. Vielleicht schon im September trägt sie ihre
schöne Last schon am Herzen.

Ich bin Ihnen verdamt viel Geld schuldig und ich wolte, ich könte
es wie meine meisten Schuldner machen, die mich passen lassen. Ich
harre auf Dosen und dergl., um abzutragen. — Wie der Reichthum
furchtsam macht! Wenn ich nur 150 rtl. im Hause habe: ängstige ich
mich vor Zufällen und sorge, daß es nicht lange. Sonst gieng ich mit
150 gr. in der Tasche kek durch alle Thore und hatte Mitleiden mit
armen Teufeln, sagte mir aber, sei demüthig. — Ihr Gedanke über
Versöhnung in Liebe und in Freundschaft steht auch in den Mumien.
Leben Sie wohl, lieber Liebender! Gott gebe Ihnen d. h. andern viel
Freude!

R.

N. S. Christ[ophs] Schenkung ist ja nur ein ¼; die ¾ gehören
den andern? Auch das Lob auf ihn ist Verwechslung. — Finden nicht
viele die preussischen Feder-Eroberungen unrechtmässig, hingegen die
gallischen Degen-Eroberungen recht? Und doch ergänzt dort die Feder
den Degen, und hier der Degen die Feder. Ich bin mit diesem west
phälischen Frieden ganz zufrieden. Ist einmal Krieg nöthig (d. h. ein
Staaten-Laster) so ist der friedliche mir der liebste. — Als ich den
Brief an die Postmeisterin schrieb, waren warlich noch schöne und
dumme Zeiten. Das Dumme hass’ ich jezt bitter und mich dazu.


Lieber lieber Emanuel,

Wenn das Verlangen nach einem Briefe von Ihnen meinen Mann überfiel,
dachte ich an meine Schuld, dachte an sie, und machte sie nicht wieder gut — aber
jezt verzeih ich mir selbst leichter, weil meine Sorgen für die Zukunft wirklich recht
dringend sind, und ich nun einmal so eigensinnig bin, alles was ich für unser liebes
Wesen bedarf selbst zu arbeiten, so sehr mein Mann mich zu fremder Hülfe treibt.
Ich lebe jezt blos dafür und bin unaussprechlich glüklich.


Wie gern schike ich Ihnen den besten Menschen nach Coburg zu, und verlange
nicht das seelige Wiederfinden mit zu feiern, aber Sie müßen kommen, wenn er
kömmt. Heims führen ihn vielleicht dorthin ... Die Schwendler hat ein gesundes
Kind, ein Mädchen; Richter ist Montag Gevatter! Luise Heim ist wohl und
glüklich. Gute Nacht!

Caroline

Schwerlich komm’ ich jezt nach Coburg wegen Sorge und Hofnung
über meine C.

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: SBa. 3 S. 8° von Jean Paul, 1 S. von Karoline. K (nach Nr. 306): Emanuel — J: Denkw. 1,109×. B: IV. Abt., IV, Nr. 251. 175, 15 lange] aus langt H 16 in der Tasche] nachtr. H alle Thore] aus jedes Thor H 23 Auch bis Verwechslung.] nachtr. H 25 ergänzt ... den Degen] aus ist ...der Degen H 28 friedliche] aus im Frieden H mir der liebste] am besten K

Angekommen 21. Sept. 175, 17f. Emanuel hatte geschrieben: „Inder Liebe kann eine Aussöhnung vielleicht gute Folgen haben, in derFreundschaft sehn’ ich mich nicht nach einer Aussöhnung.“ Vgl. I. Abt.,II, 200,2f. (Die unsichtbare Loge, 24. Sektor.) 22f. Christophs Schenkung: s. Nr. 169. 29 Brief an die Postmeisterin: wohl Bd. I, Nr. 308.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/IV_309.html)