Von Jean Paul an Johann Georg Jacob von Ahlefeldt. Meiningen, 4. November 1802.

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Brieftext

Meiningen d. 4. Nov. 1802 .

Nämlich am 4. geht der Brief — aber schreiben thu’ ich ihn jezt
den 28. Okt., weil ich nach Coburg verreise. Was machst du, Hans?
Was steht auf den Herbstblättern deiner Welthistorie, hinter denen
immer bei dir die meisten Früchte stecken? Hast du neue Thée’s und
die alten noch? Ich möchte viel von 〈de et abs〉 dir wissen, — gerade
jezt, wo ich einmal deine dämmernden Stuben in der dämmernden
Jahrszeit bezogen und wo wir dan nichts machten als Spas und
Toilette für jeden Abend — auch möcht’ ich wissen (jezt ernsthaft), ob
dein inneres Glük Blüten, Früchte, Himmel oder Nordpol hat? Davon
lege mir wieder wie in alter Zeit, etwas in die Brust, ich werd’ es
gern aufnehmen.


Von meiner in deine hab’ ich jezt nichts zu bringen; mein Kind
(Emma) müst’ ich denn daran legen. Ein himmelschönes Wesen!
Freilich schreit’s. — Die Angst ist doch vorüber, womit ein Man
seine Frau mit der Last eines doppelten Lebens über das breite Grab
wegschreiten sieht. Unser Kleeblat ist frisch und grün, besonders mein
Blat; denn ich habe Bier, was dem guten Berlin samt einem Berge
fehlet. Doch habt ihr Bierwasser oder Wasserbiere in schöner Mannig
faltigkeit.

Ich thue eine Bitte an dich, deren Erfüllung dir im Herbste, wo
du auch ein Zugvogel bist obwohl nur durch Strassen, weniger schwer
fallen wird .... Das Gescheuteste ist, ich sende dir den ganzen Brief
der Frau v. Lochner, die früher eine Nonne, jezt eine Madonna
(nicht nur an Schönheit) ist. Der Name des Hofmeisters heisset
Professor und Rath André in Würzburg.

Kanst du die Sache nicht erfragen, so frage meinen Schwieger
vater, indem du zugleich sagst, daß ich ihm, nach zwei so neuen Bitten
und Fragen meiner Frau, nicht gern mit der dritten kommen wolte. —
Apropos schon einmal hast du in meinem Namen deinem ehrlichen
Müller 1 rtl. geschenkt; schenk’ ihm noch 2 und bringe sie mir in
Rechnung. Er sei gegrüsset, der Ehrliche! Himmel, unser Stuben
leben war einst ein schönes genialisches Leben — und wenn der Donner
nicht einmal dreingefahren wäre, daß es solange nachher nach
Schwefel stank, kein götlicheres hätt’ ich gewust. Mög’ es dir jezt
zum Lohne der schönen Zeit beschieden sein! Herzlich sehn’ ich mich
nach einer Wiederholung, die auch kommen wird. Grüsse die, die du
so liebtest — dan die und den Sander — die Herz — das ökonomische
adliche Fräulein — die Levi — Unzelmann — die Deinigen, dich
und deinen alten

Paullum.

[Adr.] H. Hans Georg v. Ahlefeldt. D[urch] unsern Sontags
(oder decadi)-restaurateur.

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Berlin acc. ms., o (XIII) (derzeit BJK). 3 S. 4°; Adr. auf der 4. S. K: Ahlefeld 4 Nov. J: Dietmar Nr. 13×. B: IV. Abt., IV, Nr. 247. A: IV. Abt., IV, Nr. 269. 187,33 hinter denen] aus die H 188,3 machten] aus thaten H 20 Der bis 21 Würzburg.] nachtr. H 26 ihm] ihn H 30 hätt’ ich gewust] aus wüst’ ich H 34 adliche] vielleicht edle H 35 deinen alten Paullum] mich K

188,19 Frau v. Lochner: s. Bd. VI, Nr. 25†; nach A scheint sie eineAuskunft vom Geistlichen Departement gewünscht zu haben. 21 Joh.Bonaventura Andres (1744—1822), Professor der Theologie in Würzburg,geistlicher Rat; vgl. 207, 5f. 33f. das ökonomische Fräulein: Ernestinev. Hake, s. 8, 15†. 34 Unzelmann: s. Bd. III, Nr. 482, 346,8. 36f. Sonntagsrestaurateur: Matzdorff, bei dem Jean Paul und Ahlefeldt Sonntagshäufig zu Tisch geladen waren.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/IV_327.html)