Von Jean Paul an Johann Georg Jacob von Ahlefeldt. Meiningen, 12. Juni 1802.
Brieftext
Lieber Alter! Recht im Innern hat mich deine Handlung und dein
Brief gerührt; aber auch mit darum, weil ich im Innern gewis
immer freundlicher gegen dich war als auf der Oberfläche. Matzdorf
wird dir den frühern Grus haben
lesen lassen. — Nun aber bitt’
ich dich, deinen von dir selber
gesezten Termin erstlich mit ihm selber
zu addieren d. h. zu
verdoppeln und dan mir nur die Hälfte der jezigen
Summe zu
schicken, damit dir alles bequemer werde. Indes quittier’
ich
Rechtens hiemit — nämlich mit der Versicherung, daß ich 50 preuss.
Thaler von dir erhalten habe.
Um deinen vorvorigen Brief oder deinen Irthum überhaupt zu
beantworten, so sag’ ich dir, daß ich nie gegen dich —
leicht stärker
für dich — so stark vor andern gesprochen als vor dir selber
und daß
ich — troz des Giftpunktes, der unser herliches Leben
anfras und den
freilich jezt manche Welle der Zeit auflösend verdünt
— nie eine un
besiegliche Liebe gegen
dich, d. h. gegen deine Loyalität, Uneigen
nüzigkeit, thätige Freundschaft (Ja, du bist sogar ein besserer und mehr
ofner reellerer Freund als Liebhaber) und gegen deine
poetische Sinnes
art verloren habe. Das
sei dir genug. Ich habe mit dir so harmonisch
zusammengelebt wie noch mit keinem Man; und daher — und nur
aus Liebe — wie wohl auch aus zweifacher — kont’ ich oft härter
gegen dich sein als ich es gegen einen Gleichgültigen oder
jezo wäre.
Ich sag’ es oft zu meiner Caroline, wie das Bild unserer schönen
Gemeinschaft der Freude und Liebe mich immer bewege; und
wenn
ich in die 3 alten Stuben wieder träte — was
Gott doch geben wird —
lieber Ahlefeld, ich würde es gewis mit nassen Augen thun. Und dafür
habe und behalte du den Dank.
Du wilst mein Jezt-Leben? Dazu gehören freilich Bücher — noch
ausser meinen gedrukten — und die Briefe meiner Frau, die du doch
meinem Vater abkatechisieren köntest. Froh und (was
noch besser)
ruhig bin ich — durch das Ehe-Glük erhoben über alles
Simultan
Streben — nur ängstlich über
den so gar kurzen Weg von dieser Zeile
an bis zur tiefsten
Höhle — heiterer und poetischer in der Arbeit — und
kurz alles
ist recht. Immer bleib’ ich nicht hier. Wohin — weis ich
selber noch nicht. Im August geh ich mit C. nach Leipzig,
und unser
Vater dazu — Käme ein gewisser und ungewisser H. v. Ahlefeldt:
Himmel, das wäre noch ein Himmel, würd’ ich sagen, wenn ich
spielte.
Aber es wäre herlich. — Der 4te und lezte Titan sol euch alle laben und
tragen; jezt wohn’ ich erst recht in der Mysterie der Kunst,
sowohl der
ernsten als (wie du in der komischen Biographie ao 1803 sehen solst) in
der komischen. Schreibe mir klar und offen deine Gefühle über
den 3ten;
und was mein guter Müller
macht, dem leider Mühle, Korn und
Wasser fehlen. Grüss ihn! — Und jedes schöne Gesicht, das ich
geküsset! —
Lebe wohl, alter Hans! Und habe Dank für deine
schöne alte Liebe zum
Schreibe mir unendlich viele Neuigkeiten von unsern Alterthümern
oder Menschen, thu’ es! Fange bei deinem Hempel an und grüss’ ihn
vorher.
Meine C. denkt (und dachte immer) mit rechter Liebe an
dich und
grüsset den Hans.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/IV_282.html)