1. Emanuel. Lieb-Reicher! Eben da ich an Otto zusiegeln wil,
komt Ihr Paquet und Thieriots Pak. Eine Plage wolt’ ich
Ihnen durch O. ersparen —
2. Thieriot. Zufälligkeiten der
O[ster]Messe besonders wünscht’ ich von Ihnen aufgesezt, da ich (ernsthaft) meine kritischen
Abhandlungen
in Kunst-Vorlesungen in Leipzig einkleide —
1. Emanuel. Herlich und spashaft aber war
Th[ieriots] historische Breite; mir ist er schon lächerlich, wenn er gut erzählt,
geschweige —
2. Thieriot. Wenn Sie verliebt sind: so wird Ihr Ton-Leben,
wo die wenige Luft bisher wieder in Aether verran, sich nach
langem Beseelen endlich verkörpern —
1. Emanuel. In den Wechsel sah ich mit Lust. Sobald Cotta mir
in diesem Monat Geld schikt, bekommen Sie Ihre Wechsel-rata gegen Zinsen v. 1. Okt. zurük;
und auch — gegen Rechnung — das Bier
Schmerzengeld. Sie büssen ja sonst ewige
Zinsen ein. Was ich an Meusel für Sie auszahle, werde aufnotieren und abschreiben.
War
lich man solte, wenn von Beglücken
die Rede ist, lieber Hemden als Bücher machen aus lumpigen
Hemden; und zumal Chemisetten, d. h. dicht für das Herz mit
dem Herzen arbeiten. Eiligst schreib ich. Ich sehe sehr auf
Antwort auf — und auf Fässer. Schon seit 5 Jahren
wünsch’ ich mir zu wissen, was ein leidlicher Rausch ist;
aber stets fehlt mir Stof und Muth.
R.
2. Liebster Thieriot (denn die andern Thieriots in Paris, Voltaire
und Leipzig kenn’ ich schlecht) Warum fahren Sie schon im
Wolfs
monat aus Bayreuth, da Sie da kaum ein paarmal angekommen
sind? Sie könten ja wöchentlich da ankommen und einpassieren.
— Thümmel ist aus Paris zurük. Es wird Sie interessieren, daß
(denn
er komt frisch von Ort und Stelle) in Belgien 50 Kanonierböte
be
fehligt, 12 aber erst fertig waren und
daß man noch am Landen zweifelt. Ich hab’ Ihnen vielleicht
noch nicht geschrieben, daß mein Kopist Halter mich versichert hat, daß die Franzosen sich algemein
vor dem
Kanal und vor dem Englischen Ufer (vor der Insel
selber gar nicht)
bis zum Entlaufen fürchten. Ich wünschte, Ihre politischen
curiosa mit mehreren ähnlichenEinen Sauigel
bracht’ ich neulich von der Festung nach Hause — SpizensToben, Beissen, Ansezen, Zurükfahren, mein Lachen — — Thieriot, Sie habendas Herz, das es verdient, dergl. gesehen zu haben. erwiedern
zu können; aber was mir nicht die politischen Zeitungen sagen
— und diese lesen Sie selber fast meistens —, das erfahr’ ich
nicht. Was meldet Ihr pariser Korre
spondent und besonders der ** g — in Y —Ich weis nicht, in welche Hände
der Brief fält; und Sie verstehen mich gewis.
? Erstaunlich, ich gesteh’ es, bin ich begierig, ja
erpicht auf deren Neuestes. — Halter schrieb
einen 2ten Brief an den Haslauer
Rath mit vergnügter Regung ab,
weil er darin seinen Namen und sein Abschreiben und Loben
abschreiben muste. — Und hiemit Adio.
Herder ist sehr krank. Stirbt mir der: so verfluche ich das
halbe
Leben. — Ihre Briefe können wie ein Epos nicht zu lange sein,
zumal da sie schon in der Mitte anfangen.
Textgrundlage
Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte
Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952.
Kommentar (der gedruckten Ausgabe)
H: Anfang bis 250, 21: OFS/Sba, 2 S. 8°; Schluß: Berlin Varnh., 2 S. 8°. K:[nachtr. Thieriot u.] Eman. 5. J: Denkw. 1,447× (nur die
zweiteHälfte). B: IV. Abt., IV, Nr. 308. 249, 34 1. Emanuel.] nachtr. H250,9 wenige]
nachtr. H bisher] nachtr. H verran] aus verrint H13 das] aus denSchmerzen aus Jammer H15 abschreiben] aus zusenden H18 dicht]
aus nicht H25 könten] aus solten H27 frisch] aus eben H29 vielleicht]
nachtr. H34f. fast meistens] nachtr. H251,2 besonders] nachtr. H
Die beiden Empfänger haben den Brief unter sich geteilt; Thieriot
hatvon der Emanuel zugefallenen ersten Hälfte eine genaue Abschrift genommen (Berlin Varnh.). 250, 17Chemisetten: s. 252, 25. 22 In
Voltaires Werken und Briefen wird häufig sein Freund Nic.
ClaudeThieriot (1696—1772) erwähnt. 26ff. Napoleon
traf damals Anstaltenzu einer Landung in England. Jean Paul persifliert hier
die Inhaltlosigkeitvon Thieriots Briefen, vgl. 262, 22ff. 29f. Kopist Halter: s. I. Abt.,X, 324,28ff. (Flegeljahre Nr.50).