Von Jean Paul an Johann Adam Lorenz von Oerthel. Ohne Ort, 25. Januar 1786 bis 26. Januar 1786.

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Brieftext

Lieber Oerthel,

Du kanst es selber nicht verlangen, daß der Rabbi Abraham Recht
behält: dieser sonst grosse Man fiel einmal auf die ganze Sache und
behauptete ernsthaft genug, daß Got gern die Sukkuben und unter
andern auch die Satyrs ganz ausgeschaffen hätte; aber der Sabbath
kam dazwischen; der nöthigte ihn, sie unvolendet stehen zu lassen.
Meine Ruhetage sezen sich zwar auch der Volendung meiner Satyrs
entgegen; aber du must es nicht zulassen, sondern nach dem Sabbath
in der That so wenig fragen, daß du munter an dem Geschöpfe fort
arbeitest: denn nicht ieder invalide Rumpf ist darum gleich ein Torso
und nur die Schönheit der Glieder entschuldigt die Unvolständigkeit
derselben.


Ich schikke dir nämlich hier ein Stük meines Mskpts — die übrigen
droh’ ich dir erst — nicht zum Zensiren, sondern zum Rezensiren, das
iezt bei dem Anwachse der Zensoren ganz ausser Mode komt. Welchen
Gefallen köntest du mir nicht thun, wenn du selbiges mit deinen Rand
glossen versähest! Ich wolte dich anfangs mit Gewalt dazu nöthigen
und durch eine starke Schluskette zum Glossatoramte ziehen; aber
da du iede Art von Ketten so sehr hassest, so lass’ ich sie fahren und stell’
es ganz in deine Wilkühr, was du mit dem Mskpte machen wilst. Ich
möchte es gern noch einmal durchstimmen und es wäre daher freilich
gut, wenn du deine Stimpfeife hervorbrächtest und zuweilen einen
geschikten Pfif darein zu meinem Besten thätest. Was ich dir schikke
hab’ ich zu Anfange des Sommers gemacht; das Ernsthafte und
Bessere ist noch ungeschaffen oder doch bei mir.


Lebe wol, lieber Oerthel, und denke einigermassen auf ein Mittel, die
Veranstaltung geschikt zu vereiteln, die ich iezt getroffen, daß du mir
etwas schreiben must.


Am Mitwoche den 26 [vielmehr 25.] J[enner] 86.
R.

Du köntest mir Feders Untersuchungen bald schikken; denn in
4 Tagen soltest du sie wieder haben; oder doch Mendelsohns Buch über
das Dasein Gottes.

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 1. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1956.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Goethe- u. Schiller-Archiv. 2 S. quer 4°. K (nach Nr. 140): An Oerthel den 25 Jenner. J 1: Wahrheit 4,39. J 2: Nachlaß 2,323×. 193,32 dem] meinem K 194,5 nöthigen] zwingen K 9 möchte es gern noch einmal] wil das ganze Werk K es wäre daher freilich gut] du thätest mir freilich einen Gefallen K 10 hervorsuchtest K 19 Untersuchungen] davor gestr. Moral H

Da man sich leichter im Monats- als im Wochentag irrt, hat hier wohl K das richtige Datum. 194, 1 Manuskript: die „Scherze in Quart“, Vorstufe der Auswahl aus des Teufels Papieren. 19 J. G. H. Feder, „Untersuchungen über den menschlichen Willen“, Göttingen u. Lemgo 1779. 20f. Moses Mendelssohn, „Morgenstunden, oder Vorlesungen über das Dasein Gottes“, Berlin 1785.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/I_142.html)