Von Jean Paul an Johann Ruß (Rust). Hof, vor dem 25. Juli 1786.
Brieftext
Hoch Edelgebohrner,
Insonders Hochzuehrender Herr Stadt Syndicus.
Werthgeschäztester Herr Schwager,
Dieselben werden es nicht ungütig nehmen, daß ich so frey bin und
an Dieselben schreibe und mich nach Dero Wohlseyn erkundige.
Ich
würde Ihnen mit diesem Briefe nicht beschwerlich fallen,
wenn ich nicht
in so grosser Noth wäre. Es ist hier so
theuer zu leben und ich habe für
meinen Mann so viel zu
bezahlen gehabt; auch kosteten mich die
Processe viel Geld und noch die fünf Kinder, die ich zu
erziehen habe.
Nun muß ich zu Jacobi, künftigen Montag aus meinem Logis
aus
ziehen und da ich noch das vorige
Vierteljahr schuldig bin, so muß ich
auch 15 fl.
fränk. zahlen, sonst lassen mir die Leute, die hier ohnehin so
grob und ohne Mitleid sind, nichts verabfolgen. Ich thue
daher die
gehorsame Bitte an Ihnen, daß Dieselben die Güte
haben und mir auf
mein Gartenhaus 15fl. vorleyhen möchten. Sie
würden mich aus einer
grossen Noth erretten und Gott würde
Dieselben dafür belohnen. Ich
hoffe, daß Dieselben einer Wittwe
und einer Verwandten diese Bitte
nicht abschlagen werden
und habe in dieser Hofnung die Ehre mit der
vollkommensten
Hochachtung zu seyn
gehorsamste Dienerin
und Schwägerin
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/I_178.html)