Von Jean Paul an Johann Gottfried von Herder. Hof, 1. September 1788.
Brieftext
p. p.
Höchstzuverehrender Herr Generalsuperintendent,
Sie schlugen vor einigen Jahren einem Unbekanten eine sehr zu
dringliche Bitte mit so viel wolwollenden
Schonen ab, daß er zu einer
andern den Muth behielt.
Zwei für den deutsch. Merkur bestimte Aufsäze wag’ ich nicht un
mittelbar dem H. Hofrath Wieland in der
Furcht zu schikken, sie
möchten sich unter der Karavane der Papiere verlieren, die
ringsum
auf ihn zuschiessen — nicht weil ich besorge, sie
würden nicht abgedrukt
sondern weil ich besorge, sie würden mir
in diesem Falle nicht zurük
geschikt.
Vielleicht gewinn’ ich auch wenn Sie mich ihm präsentiren
das
was eine unangenehme Neuigkeit gewint, wenn man sie dem
Könige durch einen Günstling oder eine Geliebte überbringen lässet.
Möchten Sie die Aufsäze werth finden, von Ihnen gelesen zu
werden!
Möchten Sie durch den ernsthaften mich werth finden,
die Ihrigen
gelesen zu haben!
Da ich ökonomisch zu reden nichts habe: so mus ich für diese unter
hypochondrischem Herzklopfen und verschwindendem Athem geborne
Produkte wol etwas haben wollen.
Langeweile machen ist etwas so schlimmes, daß Muhammed und
sein Soufleur es in ihrer Bibel verboten und sagten, man solle
nicht
zu lang beim Propheten sizen bleiben — oder bei irgend einem
andern,
der noch mehr ist, füg’ ich dazu. Daher bin ich
in Hofnung einer ver
gebenden und
vielleicht frühen Antwort und mit dankbarer und
schweigender
Hochachtung
gehorsamster Diener
J. P. F. Richter
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/I_232.html)