Von Jean Paul an Christian Otto. Schwarzenbach a. d. Saale, 29. Dezember 1790.
Brieftext
Mein lieber Otto,
10,000 mal lieber wil ich für dich und das Publikum Bücher als für
Hof und dessen Merkur Blätter schreiben. Bei so wenigem
Spielraum
im Kopfe der Leser und auf dem Blatte des Gratulanten kont’
ich blos
den alten Kothman machen, der auf einem
Teller tanzte. Und gieng’
es nicht durch deine Fegemühle: so gäb’ ichs gar nicht her, da
zumal
das Andenken an Hof vom Sontag her, alle Lustigkeit
durch Bitterkeit
verdrängte. Aendere, leihe und nehme also soviel als du wilst:
um deine
Hand nicht zu kompromittieren, kanst du es meinem
Bruder zum
Kopieren schicken. Da ich das leztere nicht that: so
handle mir, wenns
gedrukt wird, auch ein Exemplar aus wie
andre Gönner kriegen.
Im ganzen Jahr kont’ ich dir nichts so närrisches und wichtiges
erzählen als am Ende desselben — mein Bruder in Naila, Skribent
alda wie ich hier, hat sich geschwind kopulieren lassen —
geheirathet
hat er noch geschwinder und früher. Er mus
— ich sprech’ ihm des
wegen seine
landesiuristischen Kentnisse nicht ab — die
Bayreuth[ische]
Verordnung von 1721, die den Beischlaf 5 Tage vor der
Einsegnung
nachsieht, zu kursorisch übersehen und stat Tage
Monate gelesen
haben. Zu solchen Varianten wil mir nun der
Teufel nicht verhelfen
und ich siz’ ewig da und knie
nicht einmal vor, geschweige mit
einem
Frauenzimmer der Agende gegenüber, wie ihr auch.
Meine Frau Schwägerin sol sehr reich sein. Er wil mir mit seines
Schwieger-Vaters Pferd und Schlitten zusprechen.
Um Arbeit zu gewinnen und Ueberfressen zu ersparen, stecken oft
weise Landesregierungen den 3ten Feiertag in den 2ten hinein. Aus
gleicher Absicht
flocht mein kopierender Bruder in den Hochzeittag
fast den
Tauftag ein, der auch schon vorbei ist. (Alles im Ernst.) Was
gäb ich darum, wenn ich schon heute seinen kleinen Absenker an die
Ohren halten könte — ich habe noch keine närrischere Empfindung
gehabt als den Gedanken an seinen Sohn.
Ich hatte 2 edlere Brüder als die 2 Nailaer sind: und habe noch
davon meinen Samuel. Sonst könt’ ich warlich nicht von diesem
unedeln Weg zum Glük so lustig reden; für den Schreiber
giebts aber
kein anderes.
Freilich komm ich am Freitag abends schon. Lebe wol.
Am Freitag ist mein erster Gang zu deinem Pult und zu den
Noten darin.
Dem Spazen bringe bei, daß ich überal, wo er mich nicht versteht,
ein mässiges Lob auf ihn hineinverstekt habe.
[Adr.] Meinem Freunde Christian Otto in Hof. D. Einschlus.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/I_352.html)