Von Jean Paul an Gräfenhain. Leipzig, Mai 1783.
Brieftext
Der Verfasser dieses Briefs ist die Person, über deren gestrige Auf
fürung Sie sich bei H. Körner beschwerten.
Hiedurch wurde H. Körner
veranlast, mich zu beleidigen, um Sie an mir zu rächen, der
ich nur
9 rtl. für mein Logis bezale. Allein weder die
Verdammung noch die
Rechtfertigung meines gestrigen Betragens
gehört in diesen Brief;
sondern nur das Versprechen meines
abgeänderten. Ich geh’ künftig
im Garten spazieren, weil ich
eben darum die Stad verlies, um das
Land zu geniessen.
Auch Sie selbst, wie Sie gestern sagten, wollen mir
dieses
Vergnügen nicht verweren; nur sol ich Ihnen nicht in den Weg
kommen — dies wil ich tun; nur sol ich Ihnen ausweichen; dies nicht zu
tun wäre eine Unhöflichkeit, deren man nicht einmal gegen einen
Unbekanten auf der Gasse fähig ist, und die man nur aus
verzeihlicher
Unachtsamkeit begehen kan. Ich werde mich
ferner Ihrer Wonung
[nicht] mer so nähern als gestern, und da
ich weiter fast blos am
Abend und am Morgen den Garten besuche,
so werden Sie selten ein
Zeuge der Kleidung sein, die mich
Bequemlichkeit, Gesundheit und
Armut tragen heissen. Den Hals
wil ich unterm Spaz[ierengehen]
bedekken; ungeachtet vielleicht nicht blos Mode sondern
auch Vernunft
die Entblössung des Busens so ser wie die
Entblössung des Gesichts
rechtfertigen könte, ungeachtet selbst
der keusche Teil des andern
Geschlechts den seinigen entblöst,
der durch merere Reizegefärlich ist. —
Merere Studenten werden
Sie nie im Garten sehen; denn ich habe
wenig Freunde und
eigentlich nur einen, der bessere Gärten als den
körnerschen und nicht den Aufenthalt sondern nur mich besucht.
Soviel
hätt’ ich gehalten, one es versprochen zu haben.
Eh’ ich diesem Briefe und Ihrer Langweile ein Ende mache, so bitte
ich Sie folgendes: Sie verachten meinen geringen Namen, aber
merken
Sie ihn auch; denn Sie werden das leztere nicht
lange getan haben,
one das erstere mer zu tun. Ich scheine
unverständlich, um nicht un
bescheiden zu
scheinen. Vergeben Sie diesen Brief. — Dies alles würd’
ich
schon gestern getan haben, hätt’ ich Sie mit der Unterlassung
desselben zu beleidigen gemutmasset. Vergeben Sie nicht nur eine un
vorsezliche Beleidigung, sondern auch eine
freie Entschuldigung
derselben.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/I_41.html)