Von Jean Paul an Anna Marie Sophie Ellrodt. Leipzig, 21. November 1783.
Brieftext
Also ist der Vorhang zerrissen, auf dem so viele Hofnungen gemalet
standen? und unsre Liebe mit den Blumen verblüht, mit denen sie
ihr
kurzes Dasein anfieng? Denn das, und nichts anders, wil
doch Ihre
Verzögerung, auf meinen lezten Brief zu
antworten, mir unfelbar
sagen. Vielleicht daß sich aber doch
Ihr Stilschweigen für eine
Bestrafung des meinigen ansehen
liesse, wenn ihm nicht Ihr lezter
Brief vorhergegangen wäre und
wenn nicht andre Nachrichten mir
Ihre so schleunige Veränderung
zusicherten. Aber wir wollen uns nicht
unter Vorwürfen
von einander scheiden. Ich wil Sie so stil verlassen als
man
das Grab derer verlässet, die man liebte und die nimmer lieben
können. Sie entziehen mir Ihre Liebe, aber doch nicht Ihr Bild, das
in meinem Herzen länger dauern wird als iene in Ihrem; Sie
können
doch die Freuden nicht zurükfordern, die ich mit Ihnen
genos und die
die Erinnerung mir täglich wiedergebären
kan. Möchte der, der an
meine Stelle getreten ist, oder treten
wird, Sie für die Vergnügungen
belonen, die Sie mir
verschaften! Möchte er Sie so lieben wie ich!
Möchte er dafür
zur Belonung von Ihnen noch mer geliebt werden als
der es
wurde, der nun nichts mer ist als Ihr etc.
N. S. Ich bitte Sie um die Zurükgabe meiner Briefe, die Ihnen
nun gleichgültig sein müssen, da es Ihnen der ist, der sie
schrieb und an
Sie weiter keinen schreiben wird als den,
welcher Ihre Antwort beant
wortet. Meine
Silhouette machen Sie zu einer Papillotte.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/I_63.html)