Von Jean Paul an Erhard Friedrich Vogel. Hof, 17. Februar 1785.
Brieftext
Hochehrwürdiger und hochgelehrter Herr,
Hochzuverehrender Herr Pfarrer,
Die Wiener sezen auf ihre Anschlagszettel: „Heute wird ein bril
„lantes Feuerwerk gegeben, wenn es die
Witterung zulässet.“ Diesen
Zusaz solte ieder von ihnen borgen,
der nicht zum Lügner werden wil.
Ich z. B. hätte so an Sie
neulich schreiben sollen: „ich wil Ew. Hoch
„ehrwürden nicht belügen, fals es die Witterung zulässet.“
Denn die
Witterung lies es wirklich nicht zu, daß ich Ihnen
die Abhandlung am
vergangnen Donnerstag schon schikte. Indessen wird diese
Verzögerung
dem Drukke derselben nichts schaden; denn Sie
könten sie immer noch
nachschikken, wenn auch der übrige Theil
des Manuskripts schon fort
wäre.
Übrigens fehlen dieser Abhandlung noch Ihre Anmerkungen dar
über, welche mir Örthel nicht
geschikt.
Büste und Paste sind himmelweit verschieden, so verschieden wie
etwan ein Haubenkopf und ein Louisd’or. Eine Paste ist eine erhobne
Gipsabbildung; und gewöhnlich so gros wie ein Thaler und eben
so
gestaltet.
Ihre neue Vergrösserung des Titels „für raffinirte Theologen“
scheint mir der Kürze und dem Auffallenden des simpeln Titels
„Raffinerien“ etwas zu entziehen: auch scheint dieser Zusaz
mir ent
behrlich zu sein. Endlich
müste es stat raffinirte wol raffinirende
heissen, so wie man nicht gedachte,
sondern denkende Köpfe sagt.
Noch ein Wort von der Wilddieberei, der sich Ew. Hochehrw.
unglüklicherweise zu ergeben scheinen und für die Sie die Strafe des
Strangs ganz wol verdienen dürften: denn ich kan Ihrer
Hofnung
nicht beitreten, daß man Sie wegen 5
gestohlnen Gleichnissen nicht
hängen könne. Ich glaube
vielmehr, es giebt keine vernünftigere
Halsgerichtsordnung als
die einiger Wilden, von der ich neulich ge
lesen. Je grösser nämlich der Werth des Diebstahls ist, desto gelinder
bestrafen sie ihn: denn, sagen sie, desto grösser war die
Versuchung und
desto schwieriger der Sieg darüber und desto verzeihliger die
Nieder
lage. Je geringfügiger hingegen
der Gegenstand des Diebstals ist,
mit einer desto grössern
Strafe rächen sie ihn. Wenn Sie das über
legen, und besonders den Punkt nicht aus den Augen lassen, daß Sie
nicht einen Pope oder sich selbst (in diesem Falle würd’ ich
selbst für
eine mildere Bestrafung Ihres Raubens sein) sondern mich
bestohlen
haben: so werden Sie leicht begreifen, warum ich es
recht sehr wünsche,
daß man Sie wegen des Diebstahls einer so
werthlosen Sache auf
hängen möchte wie den
D. Dodd.
Ich bitte Sie um folgende Bücher:
Predigten in Kasualfällen.
erste Bände).
Ich bin unter einer Empfehlung an Ihre Gemahlin
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/I_94.html)