Von Jean Paul an Johann Gottlieb und Max Richter. Bayreuth, 20. Mai 1821.

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Brieftext

Eilig.
B[aireut] d. 20ten Mai [1821]

Mein geliebter Sohn! Dein Brief hat mich innigst bewegt und dein
Schmerz, der von einer falschen Auslegung des meinigen entstand, thut
mir sehr wehe. Ich tadelte eigentlich die Unvollständigkeit deiner Rech
nungen — denn bei dieser weiß man nie, wann und wie viel man
schicken soll, und was du hast und schuldig bist — und das Wegleihen.
Um Gottes Willen schränke dein Essen nicht ein; aber wol dein über
mäßiges Arbeiten. Das Übermaß in Lesen und Hören bindet und
hemmt die Freiheit des eignen Entwickelns und Beschauens. — Am
meisten schmerzt mich deine schwärmerische Melancholie (zumal im
letzten Briefe), worin du von dir, blos wegen des Glanzes des Ideal
ziels, zu kleinmüthig denkst. Mein guter Max, in jedem Brief erscheinst
du mir besser und reifer und strebender. Glaube hierin mehr mir als dir.
Mit Entzücken werd ich dich in Heidelberg ans Herz drücken, — wenn
ich nur erst hinkönnte. Aber das jetzige entzündliche Wetter martert und
überfüllt meinen Kopf, der eine Reihe von Freudentagen jetzo durchaus
nicht aushält; wozu noch die Unsicherheit des Wetters kommt, das nicht
reine 8 Tage verspricht..Doch eine Heilung meines Kopfes durch eine Aderlaß und die des Wettersdurch eine[n] erhellenden Regen [würde] die Reise beschleunigen. — Sonst hätte mich mein theuerer Hein
rich
an der Jupiters Kette seines Liebebriefs in seinen Himmel gezogen.
Dank ihm innig dafür. — Allerdings — sage ihm — mußt ich in den
grönländischen Prozessen überall das Rohe ausjäten. Frage ihn doch, ob
er die herrliche Anzeige des Kometen „in der eleganten Zeitung“ schon
gelesen? Ich noch nicht. — Für Henne kann ich hier durchaus nur
1 Subskribenten auftreiben, nämlich mich selber. Aber um Gottes
NB Willen, warum sendest du mir seine Anzeige auf der reitenden, und
nicht auf der fahrenden Post, mit der Aufschrift des Werths? 36 kr.
mußt’ ich zahlen. Schon 3 mal in München machtest du mir diese Kosten.
— Lebe 1000 mal wohl mein Sohn! Du weißt nicht, wie innig und heiß
du von uns allen geliebt wirst.


Dein
Vater

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 8. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1955.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Staats- u. Universitätsbibl. Hamburg; ehem. Oskar Ulex, Altona. 2 S. 8°. J 1: Wahrheit 8,292×. J 2: MaxRichter Nr. 10. B: IV. Abt., VIII, Nr. 109. 115,29 erscheinst] davor gestr. wirst

Max hatte sich über die Vorwürfe des Vaters tief gekränkt, ja verzweifeltgeäußert, besonders in einem Brief an die Mutter (s. Nr. 180). 116, 4–6 Anzeige des Kometen: vgl. 127, 1–4. 6 Henne: s. Nr. 195†. — Einschöner gleichzeitiger Brief Karolinens an Max ist unvollständig abgedrucktWahrheit 8,293ff.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VIII_178.html)