Von Jean Paul an Richard Groote. Bayreuth, 6. November 1821.

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Brieftext

Baireut d. 6. Nov. 1821

Ihr schöner, von der Freundschaft verlängerter Brief aus Bremen,
höchstgeschätzter Herr, verdient meinen wärmsten Dank gegen Sie, dem
die Menge der Geschäfte nur kurze und gleichgültige Briefe erlauben
kann. Durch den Weinschatz Ihrer Bergwerke, deren äußerliche Aus
beute den Menschen mehr beglückt als die innere anderer Berge, werden
meine Bitten und Ihre Wünsche zwar für diesen Winter erfüllt, aber
auf eine andere Weise. Unter Ihren von mir versuchten Weinen sagt
mir nämlich der aus Frankfurt gesandte Probe-Barsac, die Flasche zu
1 fl., Oxhoft zu 180 fl., allein zu, nicht blos durch Stärke, denn diese
ließe sich durch Menge ersetzen, sondern durch die wohlthätigste Wirkung
auf mein Nervensystem.


Ich bitte Sie daher, auf dem kürzesten Wege mir ein halbes
Oxhoft dieses Weins von demselben Jahr und Werth gütig zu
senden. Nach meiner Wetterkunde gibt der gelinde Winter allen Weinen
völlige Durchgangs-Gerechtigkeit durch sich.

Leider thaten schon die ersten Gläser aus dem übersandten Sauterne-
Faß noch schlimmere Wirkung als der vorige, sonst so geistreiche
Sauterne; — Nervenschwindel, Aussetzen des Pulses und Erhitzung des
Kopfes noch am Abende (denn ich trinke nur Vormittags zum Schreiben
Wein) erlaubten mir nur eine halbe Bouteille, deren zweite Hälfte aber
auf einen Freund von mir rein und erheiternd wirkte. Weder Stärke,
noch Schwäche sind hier Schuldige; denn Ihr starker Barsac zu 1 fl. ist
mein Freund und Arzt und Ihr Frankfurter Probe-Sauterne von 1814
zu 48 kr. gerade das Gegentheil, und so der Preignac zu 1 fl. Ihr
Bremer Graves-Wein von 1818 hingegen wirkt wieder viel besser. — —
Sie sind so geplagt mit mir, als wären Sie mein Hausarzt; — und der
sind Sie auch als Kellerarzt; denn ich gebrauchte nie einen andern Arzt
als mich selber.


Sie werden mir nun schreiben, wie ich das jetzo ausruhende Faß —
welches mit dem Kistchen 16 fl. 3 kr. Mauth und 32 fl. 24 kr. Fracht
gekostet — durch Nachfüllen (vorigen Sauterne hab’ ich noch) soll
behandeln lassen. Noch zweifle ich, hier, wo man französische Weine
nicht zu schätzen weiß und daher nur wenige und nur schlechte hat — einen
Käufer dafür zu finden. Ihr Wein wird nicht so sorgfältig behandelt
werden wie meiner, sondern, da er der Ihrige ist, noch besser. Wegen der
Nähe des Absendortes hab’ ich die Frankfurter Proben mehr gekostet
als die Bremer; für den Frühling bleibt ja noch die Wahl aus diesen
übrig.


Möge nur der treffliche Barsac in seiner reinen Güte — ohne be
sonderes Faßschwefeln, das meinem eigensinnigen Nervensysteme zu
wider ist — anlangen können! Einem so theilnehmenden Manne wie
Sie darf ich es wol in einem Geschäftbriefe schon sagen, daß mein
armer Körper in diesem Winter bei meinen geistigen Anstrengungen
äußerliche Stärkung bedarf, um die Trauer meiner Seele über die
größte Wunde meines Lebens — über den Verlust meines einzigen
18jährigen Sohnes voll Talent und Tugend — auszuhalten.

Mit inniger Hochachtung
Ihr ergebenster
Jean Paul Fr. Richter

N.S. Diesen Vormittag hab’ ich noch Ihren Sauterne von 1802
versucht und ihn recht gut (für mich nämlich) gefunden. Verzeihen
Sie mein Wein-Bulletin!

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 8. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1955.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

K (von Karolinens Hand): Groote in Frankf. [aus Bremen] 6 Nov.* J: W. Dorow, Denkschriften u. Briefe, 5. Bd. (1841), S. 29 (ohne Nennungdes Adressaten).

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VIII_225.html)