Von Jean Paul an Ludwig Pilgrim. Dresden, 17. Mai 1822.

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Brieftext

Dresden d. 17. Mai 1822 [Freitag]

Sie sind ein Mann von Geist und Liebe. Erst auf dem Rückwege
wurd’ ich über meine irrige Voraussetzung belehrt, denn sonst hätt’ ich
mir meine Bitte nicht so kühn erlaubt. In Friedstein — das bei mir den
Königsstein überragt — werd’ ich Ihnen zum zweiten male danken und
länger. Am Montage wird gewiß die Schönheit des Himmels sich zur
Schönheit der Erde gesellen; und meine ganze Seele freut sich auf diesen
Tag der Liebe und Schönheit, und meine Lippen freuen sich auf die
Wiederholung des neulichen Empfangs. Grüße an Alle.


Der Ihrige
Jean Paul Fr. Richter

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 8. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1955.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

J: Gartenlaube, 1855, Nr. 30, S. 401. B: IV. Abt., VIII, Nr. 161.

Nach der vermutlich dichterisch ausgeschmückten GartenlaubenErzählung der Elise Polko „Ein Dichterblick“ ist der Adressat der Gattejener Frau — einer jüngeren, etwas exzentrischen Schwester der Hauswirtin in Friedstein (vgl. 174, 27–32) —, die J. P. bei seinem Eintretenum den Hals gefallen war (vgl. Persönl. Nr. 301, S. 286.). J. P. hatte ihn fürderen Bruder gehalten und beim Abschied von Friedstein gebeten, ihmzu einer nochmaligen Zusammenkunft mit der stürmischen Dame zu verhelfen. Der vermeintliche Bruder hatte in einem von einem Blumenstraußbegleiteten Billett den Irrtum aufgeklärt und den Dichter eingeladen,am folgenden Montag noch einmal nach Friedstein zu kommen. — J. P.sDresdner Reise-Tagebuch erwähnt bei Gelegenheit des ersten Besuchsin Friedstein am 13. Mai „die küssende Wittwe“; die Witwe war aber,wie aus Minna Spaziers Brief an J. P. IV. Abt., VIII, Nr. 225 hervorgeht, eine Schwesterdes Hauswirts Schwarz, Emilie Becker, während die Küssende, nachMinnas Brief (IV. Abt., VIII, Nr. 189) und einer Tagebuchnotiz J. P.s vom 15. Mai, wahr- scheinlich Elise Pilgrim war, die auch als Dichterin aufgetreten ist (s.Schindel, Die deutschen Schriftstellerinnen 2,120). Ludwig Pilgrim war (nach freundl. Auskunft von Dr. Schlechte vom Sächs. Landeshauptarchiv) ein Leipziger Kaufmann, der 1816 das WeinberggrundstückFriedstein erworben hatte und es 1823 an den Kaufmann Schwarz verkaufte.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VIII_282.html)