Von Jean Paul an Heinrich Voß. Bayreuth, 17. April 1820 bis 21. April 1820.
Brieftext
Mein geliebter Heinrich! Hier bringt dir der Postwagen die Ursache
meines Schweigens in die Hände. Der Sicherheit wegen hab’
ich nur
halb frankiert; aber ich fodere von deiner Freundschaft, daß du mir
die
Auslage nennst, damit ich bei der Lieferung des 2ten
Theils im July
sie dir mit einpacke. — Die Vorrede, welche
ich einmal zur ganzen
Wahrheit machen will — jetzt ist sie nur eine halbe —
wird dich über vieles
und darüber belehren, daß der 2te Theil viel besser ist. Wär’ ich aber
erst vollends beim 3ten! — Ich
bitte dich, lies vorher das Mspt, eh du es
dem Buchhändler
gibst, und urtheile und verurtheile, wenns sein muß. —
Findest du Abschreibfehler: so bessere keck. Der Druck ist, wie der Ver
leger schon geschrieben haben muß,
nach dem Engelmannschen Probe
blatt „alten Burgvogt“ S. 18.
Benachrichtige den Buchhändler sogleich von der Ankunft der Arbeit.
Zu Michaelis müssen durchaus beide Bändchen vollendet
sein. — Meinen
Hesperus wird dir Max
mitbringen, der in jedem Briefe dich grüßt und
sich auf deine Lehren freuet. Über alle meine
Erwartungen entwickelt sich
fast von Brief zu Brief ein
herrlicher Charakter voll Männlichkeit,
Tugend- und
Wahrheiteifer, in einem körnigen, bilderreichen, sogar
witzigen Stile. Der vorige Jüngling ist nur der Bodensatz und Nieder
schlag des jetzigen. — Für deine
köstlichen Briefe — niemand kann mir
ähnliche
schreiben — dank’ ich deiner Seele; zum Erwiedern hab’ ich
wenig um mich. — Der Mai gibt mir wenigstens eine Wonnestunde
statt eines Wonnemonats, nämlich die an meines Sohnes
Brust, weil
ich da nach München gehe. Nur
wird leider der Mai, wenigstens sein
Anfang, so regnen und kühlen als der April hätte thun
sollen. — Dein
guter Vater hat mich in der Literaturzeitung recht erfreuet; bereichert
hätt’ er mich auch genug, hätt’ ich Kräfte, seine
griechischen Sprach
schätze zu tragen. — Sein
Gegen-Stollberg hat zwar an der jetzigen
Zeit die beste Wache und Wehre; und doch wird uns alle
sein Fort
sprechen erquicken, schon weil man
sein Deutsch — als Sprache und als
Gesinnung — so gern hört. — Gib doch deinen
künftigen Shakespeare
in abgetheilten Bändchen; deinen vorigen hat gewiß noch
niemand
gelesen — auf einem Spaziergange, blos weil er
nicht einzustecken ist.
— Ich bitte dich, lade doch nicht
Leute wie Fouqué und Hofmann
zum
Rezensieren ein. Sind denn bloße Dichter, zumal so
einseitige und nach
ahmende,
eben darum auch Kunstrichter? Die wenigen Änderungen des
neuen Hesperus verdienen auch keine besondere
Beurtheilung; desto
mehr aber die des Siebenkäs, der
das Unglück gehabt, um zwei gute
lange Rezensionen zu kommen — und nur eine gute kurze zu
erhalten. —
Fouqué und Hofmann saugen jetzo
zu sehr an ihren Schreibtatzen, an
statt mit diesen Honig und
andere Fettbeute zu holen. — Byron ist ein
größerer Dichter als beide, und hätt’ er nur den Mazeppa
geschrieben.
Himmel! wie sind euere Übersetzungen hoch
über denen des Byron!
Nur ihr dürft den Mitabdruck der Urschrift wagen; und
Göthe hat in
seinem Divan so Recht, wenn er euch lobt. — Grüße mir doch
herzlich
den Pfarrer Thielemann
und seine herrliche Hausfrau, deren treu
herzige Sprache und Physiognomie ich
noch immer genieße. —
Noch wollt’ ich dir viel schreiben. Aber um die Absendung eines Buchs
herum sammeln sich so viele Nacharbeiten, daß ich wahrlich
zu nichts
mehr Zeit habe als zu wärmsten Grüßen an die
Deinigen — an deine
liebliche Verwandte — an die liebe edle
Sophie Dapping — und an
meinen Heinrich zu aller erst.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VIII_35.html)