Von Jean Paul an Johann Lorenz Kreul. Bayreuth, 25. November 1823.
Brieftext
Höchstgeschätzter Herr Hofmaler! Entschuldigen Sie es gütig mit
meinen Lese- und Schreibgeschäften, daß ich mehr Zeit zum
Dankbriefe
gebraucht als Sie zum Kunstwerke. Wär’
ich eine Frau, so müßte sich
mein Dank verdoppeln, weil Ihr
Kunstspiegel ganz anders als der
Nachttisch sammt seinem
Spiegel verjüngt und Sie ein Gesicht aus dem
letzten
Mond-Viertel des Lebens ins Voll-Licht zurück zu malen wissen.
Am meisten bewundere ich Ihre Kraft der Schnelligkeit,
welche weniger
Zeit braucht, einen Menschen durch die
Zeichenfeder zu verdoppeln,
als ein Arzt nöthig hat, ihn
mit der Rezeptierfeder zu vereinfachen,
nämlich zu verewigen,
obgleich nicht wie Sie auf der Erde, sondern
über ihr. —
Haben Sie daher herzlichen Dank für alles, was Sie für
das
Nachmittaggesicht, womit ich Ihnen saß, gethan haben, besonders
für Ihr Meisterstück der Farbengebung bis zur Drapperie
herab. —
Wie sehr auch fremder Beifall Sie überall belohnen möge, so kann
doch nur der Künstlerhimmel der Begeisterung, in welchem Sie
wohnen,
Ihnen den schönsten Lohn und Kranz darreichen. Mit
dankbarer Hoch
achtung und Liebe
ergebenster
Jean Paul Fr. Richter
[Adr.] Herrn Hofmaler Kreul Wohlgeboren dahier. Mit 2 Bout.
Preignac-Wein.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VIII_406.html)