Von Jean Paul an Johann Georg Jacob von Ahlefeldt. Bayreuth, 5. Dezember 1823.

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Brieftext

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[ Bayreuth,5. Dez. 1823 ]

Mein guter alter Ahlefeldt!

Wir haben lange einander gegenüber geschwiegen, als ob einer von
uns beiden nicht mehr wäre. Doch kennst mehr du mein Leben —
wenigstens als literarisches — als ich deines, und von diesem sollst du mir
in deiner Antwort eine lange Nachricht geben.

Mein Brief hier ist ein — Mahnbrief. Nimm es aber nicht in einem
andern Sinn als es für unsere frohe Jugend- und Stubengenossen
schaft passet. Die Sache ist die: gerade in den Jahren, wo man so gern
die früheren wiederholen möchte, ist man genöthigt — nämlich Nachts
wegen 1000 neuer Bedürfnisse, denn das Alter liefert wenigstens an
diesen immer Neues — eine bloße Stunde zu wiederholen, d. h. wieder
holen zu lassen, mit Einem Worte eine Repetieruhr zu haben. Und ich
hab’ eine; aber da an ihr das Ausbessern wieder zu repetieren ist:
so hab’ ich dann — Nachts nichts. Nun ist meine Bitte, daß du mir in
Berlin, wo so viele Juden, Verkäufe und Versteigerungen sind, eine
kaufst, aber keine glänzende, modische, verzierte, mehrgehäusige, sondern
nur eine redliche alte, jedoch richtig gehende.


Und eine solche Uhr, welche 2, 3, höchstens 3½ Ld’or kosten kann, soll
die ganze Schuld von 100 pr. rtl. und 6 Friedrichd’or, wovon du mir
schon einen Theil abgetragen, rein tilgen — und ich würde dir durch
eine im Februar nach Berlin reisende Regierungräthin die Ver
schreibung senden, um sie nur nicht mehr in die Hände zu bekommen.
Denn ich möchte auf eine schönere Weise an unser früheres freudiges
Zusammenleben erinnert sein; an dem Horizont jener untergegangnen
Tage, wo wir Jugend selber hatten und fremde genossen, soll kein
Wölkchen stehen als ein rothes. Die Uhr brauchst du nur meiner
Schwiegermutter Mayer zu übergeben. Verbieten dir indeß deine Geld
verhältnisse die ganze Sache: so schreibe es mir aufrichtig und bald.


Herzlich wünscht’ ich, daß es dir bisher in deinem äußern Zölibate
und innern Herzens Eheständen flitterwöchentlich ergangen; und ich
möchte wol einmal sehen, wie dir das Alter stände. Und überhaupt möcht’
ich dich gern sehen, alter lieber Ahlefeldt, der du früher so manche Launen
von mir — obgleich für dich gutgemeinte in der Sache der Grf. S. —
mit solcher Liebe ertragen. Schreibe mir ja recht viel von Ausgängen,
Liebhabereien und Freuden. Siehst du Matzdorf, an dessen früheren
eigennützigen Misbrauch meiner merkantilischen Unwissenheit unter
Freundes Decke ich ungern denke? Es gehe dir wohl. Meine Frau grüßt
dich liebend.

Dein
alter etc.

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 8. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1955.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

K (von Emmas Hand): An Ahlefeld in Berlin 5. [aus 6.] Dez. i: Beilage zur Leipziger Zeitung, 15. Dez. 1881, Nr. 100. A: IV. Abt., VIII, Nr. 273. 245,33 Sache] Sage 34 bisher] von J. P. nachtr. 35 Eheständen] von J. P. verb.aus Ehestunden 246,5 Liebhabereien] von J. P. verb. aus LiebhaberinnenMatzdorf] danach gestr. noch

246,3 Gräfin Schlabrendorff; vgl. Br. IV, 60, Nr. 97 (12. März 1801).

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VIII_409.html)