Von Jean Paul an Carl Friedrich Kunz. Bayreuth, 26. November 1824.
Brieftext
Mein rechtes Auge ahmet seinem staarblinden Nachbar so sehr nach,
daß ich jetzo nur hinter Brillen schreiben, und bei Lichte
nur mit ihnen
mühsam lesen kann. Mehre Leipziger und
Nürnberger Brillen helfen
mir schon so viel wie zerbrochene Krücken. In München läßt
man mich
seit Monaten auf neue warten, als hätt’ ich sie bei
Landrichtern bestellt.
Nun kommt meine herzliche Bitte: ob
Sie mir wol nicht in Bamberg
mehre konkave Brillen zum Probieren
suchen und senden möchten.
Mein Auge liest in einer
Sehweite von zwei Handbreiten den Korre
spondenten; ich brauche also Nummern von
9 und 8 und 7; für
das Abendlesen eine schärfere als für das
Taglesen. Aechte englische
Brillen würden mir den Himmel, nämlich die Bücher, am besten
öffnen.
Die Fassung kann in Stahl, nur nicht in Silber
oder Horn mit Bügel
sein. Die Kosten sind mir
gleichgültig. —
[Eigenhändig]
Der Gebrauch der fremden Hand, wie des fremden
Papiers kann
Ihnen beweisen, von welchem hohen Werthe Ihre Güte
mir durch
Erfüllung meiner Bitte sein muß; zumal da jetzo die Ab
nahme der Tage sich mit der Abnahme meiner Augen feindlich
gegen mich vereinigt. — Was ich nicht gebrauchen
kann, send’ ich
unversehrt zurück. Nur verschonen Sie mich
mit jedem, auch kleinsten
Franko. —
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VIII_462.html)