Von Jean Paul an Heinrich Voß. Bayreuth, 30. August 1820.

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Brieftext

Baireut d. 30 Aug. 1820 [Mittwoch]

Mein herrlicher Heinrich! Und mein so gar geplagter! — Welches
Chaos wäre ohne dich aus dem Kometen geworden! — Der Eile
oder Kürze wegen send ich dir deinen Brief mit seinen Beziehungen
wieder, aber zum Zurückgeben. Dieser am 24ten oder Donnerstag ab
gegangne kam heute 〈Mittwochs〉 an; am vorigen Mittwoche fort
geschickt, wär’ er schon vorigen Sonnabend angekommen. — Frankiere
doch nicht so sehr, da ja alles für meinen Vortheil geht. Du hast doch
die Portoauslage im Mspt gefunden? —


Mein Max ist aus Salzburg hier und erfreuet uns alle mit den Kubik
zahlen seiner frühern geistigen Kubikwurzeln. In Salzburg müssen die
Lehrer des Lyzeums erst in Wien die Erlaubnis zum Lesen aller Stellen
in den —— Alten einholen. — Baader sagte ihm, daß 3 verschiedene
Somnamb[ülen] dieses Jahr als revoluzionär geweissagt; und dunkel
genug zieht es am Himmel auf. Grüße Daub und sag’ ihm, daß Baader
meinem Sohne aus freier Liebe über ihn Vorlesungen gehalten. —
Schelling besuchte mich; es war aber ein vierstündiger Krieg. Ich hatte
ihn tiefer und reicher vermuthet. Künftig mehr! — Frau von Hellwig
〈Imhof〉 ist hier. Ich wollte, ich sähe kein schönes Gesicht wieder, das
ich vor 15, 20 Jahren gesehen; mit ihm aber eben so lange zusammen
leben will ich, weil es hier unter dem Schutze der Allmähligkeit weniger
scheinbaren Verlust erleidet! — Die Vossische Buchhandlung will so
gerne eine 2te Auflage der grönländischen Prozesse liefern. Ich bekam
für den 1ten Theil zu 300 Seiten 16 Ld’or, ein Buch, wo zwischen jedem
Punkte-Paar ein Einfall steht; wie viel mit höchster Billigkeit zu
fodern räthst du mir, wenn ich wenig daran ändere? — Nun lebe so
wohl als du es um mich verdienst! Grüße deine Geliebten des Hauses!


Dein
Richter

[es folgen noch zwei Seiten mit 25 Einzelbemerkungen zum 2. Band
des Kometen]

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 8. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1955.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Landesbibl. Eutin. 3½ S. 8°; die Bemerkungen zum Kometen mitroter Tinte, nur die darin angezeigten Wörter mit schwarzer. K 1: Voß 30ten Aug. K 2 (von Karolinens Hand): Berlin JP. J: Voß S. 113×(mit Nr. 86 vereinigt). A: IV. Abt., VIII, Nr. 67. 66,16 wäre] so K 1, wär’e H 18 Dieser] aus Dein H 20 angekommen] aus abgegangen H 23f. den Kubikzahlen] aus derKubikzahl H 27 als] davor gestr. für H 67,4 mit höchster Billigkeit] nachtr. H

66 , 26–29 Über Baaders Beziehung zu Max Richter handelt ausführlichEugène Susini, Lettres inédites de Franz von Baader, Paris 1942, S. 116ff. 31 Frau von Hellwig: s. FB Nr. 4 und Persönl. Nr. 144. 67, 1 Vossische Buchhandlung: s. Nr. 116. 9f. Da die Bemerkungen zumKometen sich mit Ziffern auf den nicht erhaltenen Brief von Voß beziehen, lassen sich die Textstellen, auf die sie hindeuten, meist nicht feststellen; doch ist zu erkennen, daß es sich um die Kapitel 5—11 handelt.Auf einen anscheinend von Voß geäußerten Zweifel über die Möglichkeitder künstlichen Herstellung echter Diamanten erwidert J. P. (Nr. 3): Davy war nahe daran durch die galvanische Säule; und am Ende wird derDiamant bei den chemischen Riesenflügen so gut noch gemacht als Zucker aus Sägespähnen und Lumpen. (Vgl. I. Abt., XV, 221.) Zu einer Stelle, wo er sichverschrieben hatte (Nr. 24), macht J. P. die Fußnote: So mach’ ich imVerzeichnis der Druckfehler gewöhnlich neue Schreibfehler und verbessere (wieoben) verschlimmernd.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VIII_91.html)