Von Jean Paul an Caroline Richter. Bamberg und Würzburg, 2. Juli 1817 bis 4. Juli 1817.
Brieftext
Das erste was ich hier nach dem Stuhle genommen, ist eine Feder,
um dir zu schreiben, daß freilich mein Regensburger
Kutscher sehr
gut war, aber mein jetziger und sein Gaul zehnmal besser.
Gegen
5 Uhr reisete ich von Baireut d.h. von dir ab und kam um 8¼ in
Holfeld an — ein sechs Stunden-Weg — und um 11¼ in Würg
gau, von wo aus noch zwei
Flugstunden nach Bamberg sind. Extra
post ist Schneckenpost dagegen. Mein
Kutscher, der wie der vorige
in preußischen und
französischen Diensten gewesen, übertrifft diesen.
Das Wetter sinnt ordentlich darauf, seinen
Schönmaler und Sil
houetteur in etwas
zu belohnen. Schon morgen werd’ ich in Würz
burg ankommen, um nicht
doppelte Wirthshäuser zu bezahlen. In
Holfeld ließ der edle Kutscher weder sich noch seinem
Pferde geben,
aber ich gab beiden zu essen und zu fressen und der Bach
und mein
Krug zu saufen.
Und doch neckte mich wieder das Morgen-Schicksal, daß mein
Kutscher durch meine Mixturen von Wein und Likör zwar vernünftig
blieb, bis er in Würgau vom
Bocke stieg; aber nachher erkrankte
und zuletzt neben mir im Wagen sitzen mußte. Jetzo haben
wir uns
beide etwas Gescheiteres vorgesetzt; und
eben schläft er.
Schon heute um 6½ Uhr langt’ ich hier an, ob ich gleich um
5 Uhr ausgefahren. Denn der Gaul macht 4 Poststunden stets in 2,
ja zuweilen in 1⅔. Das Wetter ist kühl, hell und
göttlich. Aber hier
neckte mich wieder das
Schicksal so gar arg und unerwartet — und doch
bleib ich
bei meiner alten Hoffnung auf ganz besondere Freuden —
daß ich morgen Nachmittag abfliege, also schon Sonnabends in
Heidelberg absteige. Erstlich durch eine falsche
Empfehlung unter
wegs gerieth ich in einen schlechten
Gasthof (zum Adler), der gleich
wol so besetzt ist (des
Marktes wegen) daß ich nur ein hinteres
Zimmerchen mit
Aussicht auf Hof und Windeln bekommen. Seit ein
tausend
Jahren hab ich keine so erbärmliche und so nahe Aussicht
gehabt; denn eine nahe ist eben die schlechte. — Vollert
besuchte ich;
alles grüßt dich und seine Kinder die Kinder.
Der Gasthof ist eigentlich mit Aufwartung und Essen und Möbeln
gut; nur sitz’ ich leider in dessen Hintertheile. — Ich
werde doch erst
am Sonntage ankommen können. — Odilie soll 1 Seidel Weinessig
in die neue Dinte gießen. — Der Kronprinz ist nicht hier.
— Im
goldnen Hecht lasse demnach an mich abgeben.
Wie hast du für mich so mütterlich gesorgt, gute Seele! Jeder
Bissen erinnerte mich an deine Hand. — Es geh’ euch allen
recht wol!
Grüße Emanuel.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VII_293.html)