Von Jean Paul an Christian Otto. Frankfurt a. M., 10. Juni 1818.
Brieftext
Mein guter Alter!
Ich will jetzo aus meiner Morgenstube in deine herrliche Dämmer
stube des letzten Abends
hineinschreiben. Meine Fata zu Wasser
und zu Land kannst du
aus dem Bericht an Karoline erfahren. Ich
bringe blos einige andere nach, womit auch du die begierige
Welt
beschenken kannst.
Zu Wangenheim kam Schlegel — den
ich, weil man bei der
Vorstellung dumpf hört und dumpf spricht — für den August
Wil
helm nahm, zumal der Dicke wegen,
und mit welchem ich zwar
viel, aber nicht so freundschaftlich
sprach, als die vorigen Ver
hältnisse mit
Friedrich fodern durften. Gestern besuchte mich der
wahre,
aber dünnere Wilhelm, und wir hatten eine so herrliche
harmonierende Stunde, daß ich mich auf Heidelberg freue, wo
ich
ihn wieder treffe. Er sprach sogar von seinen zu
jugendlichen An
sichten meiner und
anderer.
Ich bekannte ihm nun auch, daß ich seinen sich beklagenden Bruder
blos darum so miserabel behandelt, weil ich ihn für den
August
Wilhelm gehalten. Du kannst dir denken, daß artige
Einkleidung
hier nöthig war und auch nicht fehlte,
zumal bei meiner bekannten
Politesse.
Ich genösse hier ein Götterleben, gingen mir nicht immer ganze
Arbeittage darauf, und hätt’ ich die Meinigen hier. Einmal nehm’
ich künftig lebendiges Sack und Pack mit und sehe, wie es
sich dann
leben läßt.
Das linke Rheinufer ist wild über die Veränderungen.
Der Bundestag ist in seinen vertraulichen Besprechungen gerade
am glänzendsten, muß aber seine Glanz- und Kraftseite vor
der
Hand durch Verbergen aufopfern. Durch W[angenheim]
kenn’
ich und ehr’ ich ihn besser.
Sage mir doch, wie viel ich für den neuen Hesperus, woran ich
nur Sprachsachen bessere, im Ganzen fodern soll, wenn du
dich noch
der Briefe Reimers erinnerst.
Gestern Abends fragte mich der baiersche Gesandte, bei dessen
Thee ich war, nach dir, oder vielmehr Georgius, und
sprach mit
schönem Lobe von dir und deiner Finanzpandora. Er
las uns auch
Langens zweite satirische Reise mit vieler Lust vor.
Lebe recht wol, mein guter Otto, grüße Amöne und schreibe
mir.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VII_420.html)