Von Jean Paul an Herzogin von Württemberg Friederike Franziska Wilhelmine. Bayreuth, 3. Oktober 1819.
Brieftext
[Euer Durchlaucht] empfangen eine Antwort
auf Ihren reizenden
Brief, den ich um 1 Monat zu spät
erhielt, wieder um einen ganzen
zu spät. Aber eine Herzogin
mag mich bei der andern entschuldigen;
denn ich brachte nämlich beinah den Monat September etc. Wie oft
erinnert mich der blaue Himmel an Sie, an Ihre erfüllten Wünsche,
an Ihr frohes Auge, vor welchem endlich die Götter der
Schweiz
und die kalten Geisterriesen der Gletscher unverschleiert
standen. —
Und doch werden Sie, wie ich schon in Ihrem
Briefe gefunden, wie
gewöhnlich zuweilen gesagt haben: es
ist alles nichts. Die einzige
Rede vielleicht, womit
Sie wehe thun, Verehrteste. Denn Sie selber
fühlen bei Ihrem
schnellen Überspringen oder Herausfliegen aus
der Freude in
das Trauern noch immer Ihren festen innern Halt und
Standpunkt und daher wagen Sie so leicht den Sprung bei dem
Kraftgefühl des Rücksprungs; aber Ihren Liebenden geben Sie
dadurch mehr Schmerz als Sie wissen und wollen und diese
ertragen
Ihren flüchtigen Schmerz nicht so — lustig wie
Sie selber.
.. Dank für den geist- und seelenreichen Brief. Es ist aber Ihre
Pflicht, die schönsten Briefe von der Welt zu schreiben, um
einiger
massen für Ihre Entfernung zu entschädigen ...
Herzog, der im
Reiche der Wissenschaft regiert, dessen
Schatzkammern sich gegen
die Natur der gröbern nie
erschöpfen ... Mit dem innigsten Wunsch,
daß Italien Ihnen
recht viele Freuden anbiete und daß Ihr Herz
sie — annehme, seh’ ich Ihrer Zukunft und einigen Zeilen
daraus
entgegen.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VII_581.html)