Von Jean Paul an Ferdinand Beneke. Bayreuth, 15. Oktober 1809.
Brieftext
Ihr mich rührender und erfreuender Brief beweiset, wie stark
Sie zugleich lieben und verabscheuen; und ich bin froh, nur vom
erstern der Gegenstand zu sein. Gegen Fremde — also auch gegen
H—r — bin ich, wenigstens anfangs, nur allgemein und
halb-offen
(wiewol leider doch zu wenig), weil ich immer mein stilles
Wort
im nächsten Buche oder Briefe schreiend wieder zu
finden fürchte.
Wie kommt H. zum
Misverständnis von „warmem Verehrer“?
Wär’ ich wirklich dieser mir untergeschobnen
Meinung: so hätte mich ja bisher nichts abhalten sondern nur alles
anreizen können,
sie öffentlich recht stark zu sagen. — In
meinen Büchern liegt,
sobald man meine Ironien versteht, meine Meinung offen da;
lieber
schweige als heuchle ich. In den Daemmerungen, die viel
leicht jetzt heraus sind, werden Sie die
Widerlegung der H—r’schen
Nachricht noch stärker finden.
Ihre Hypothese zur Erklärung ist also die wahre. Was un
moralische Mittel sind, darüber
waren von jeher alle poli
tischen wie
religiösen Parteien mitten im Zanken eins; nur ob
irgend ein
Heros der Zeit mit ihnen ein sittliches oder unsittliches
Ziel verfolge und verfolgen dürfe, darüber gabs Parteien. —
Fast
die allgemeine Meinung ists — aber nicht meine — daß
so wie
Vaterlandsliebe auf Kosten der Welt-Liebe, so
monarchische oder
republikanische Vorsorge für ein bestimmtes
Land auf Kosten aller
Länder umher gelte ja rechtlich sei.
Daher das Gebot, jedes an
wachsende
Land, auch ohne Anlaß, zu bekriegen. Wie haben nicht
Sparta,
Rom und London die Welt verwundet, um sich selber
in Blutbädern zu stärken und zu heilen! — Mit dieser
politischen
Verblendung sollte man manche neuere Härten
gegen Ausland
wenigstens entschuldigen. Der Machiavellianismus
nach außen ist
in England blos in ein ganzes Ministerium vertheilt, wie
sonst in
Rom in den Senat; — und durch dieses Umherschweifen unter
einem Kollegium wird der moralische Unwille zertheilt und
ent
kräftet —; ist hingegen Ein Mensch
ein machiav. Ministerium,
so hat der Haß sein Ziel und seinen
feurigen Fokalpunkt.
Niemand kann den Krieg ohne den Frieden, die Saat ohne die
Ernte beurtheilen.
Ja gesetzt sogar, ich wäre das, was mich H—r fälschlich
nennt,
„ein warmer Verehrer“: so seh’ ich treffliche
Menschen um mich,
welche jenes und dieses sind; und der
wahrhaft edle Graf von
Benzel-Sternau — denn er macht
noch bessere Sachen als seine
Bücher — ist statt eines Verehrers gar ein Anbeter.
Mir ist jede Meinung eines andern gleichgültig, sobald sie nur
nicht aus egoistischen Wünschen abstammt. —
Ihre Aufsätze hab’ ich Ihnen alle geschickt. — Freilich
schreib’
ich kleine Briefe, weil ich viele zu
schreiben habe und große Bücher
dazu. — Von Perthes bekam ich seit H—r’s
Hiersein nichts.
Der Himmel umgebe Sie mit Menschen, welche lieben wie Sie,
und
mit jedem andern Glück. Ich grüße Sie und Ihre Gattin
und
Perthes.
Jean Paul Fr. Richter
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VI_168.html)