Von Jean Paul an Stephan Schütze. Bayreuth, 20. Oktober 1809.

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Brieftext

Bayreuth d. 20. Okt. 1809

Der Himmel weiß, warum Sie so glücklich sind, daß sogar Ihre
Wirklichkeit — deren scharfe Spuren überall als Lokalfarben Ihren
Wanderungen nachbleiben — sich in Poesie verklärt. Eh’ ich las,
wünscht’ ich lieber ein zweites Lustspiel von Ihnen in der Hand
zu haben. Aber Sie haben diese Entbehrung schön vergütet durch
reinen Scherz und reinen Ernst, durch bestimmte Charaktere und
durch den harmlosen, unbefangenen des Reisenden, mit dessen Rock
und Magen man so viel mitleidet unterwegs.


Ihre Bestechung zur Kollaboratur am Taschenbuche wirkt sehr
stark gegen meine Abneigung vor Arbeiten solcher Art, welche mich
ermatten, weil sie mich einschränken. Um indeß mein Wort be
quemer zu halten, geb’ ich lieber keines. Sie und ich haben ja
noch Zeit genug.


Leben Sie wol! Werde Ihnen in Weimar die Muse nicht
zur Hausfrau, sondern bleibe die Braut!


Jean Paul Fr. Richter

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

K: Schütze 20 Okt. nach Übersendung seiner Wanderung nach Karlsbad — (nur diese Überschrift) J: Journal f. Literatur, Kunst, Luxus u. Mode, 28. Nov. 1826, Nr. 95.

Stephan Schütze (1771—1839) hatte J. P., wie schon zwei Jahre früher sein Lustspiel „Der Dichter und sein Vaterland“, so jetzt seine „Abenteuerliche Wanderung von Weimar nach Carlsbad“ übersandt (vgl. I. Abt., XVI, 467) und ihn anscheinend zur Mitarbeit an dem Taschenbuch, der Liebe und Freundschaft gewidmet, dessen Herausgabe er an Stelle von Minna Spazier übernommen hatte, aufgefordert.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VI_169.html)