Von Jean Paul an Christian Otto. Bayreuth, 2. November 1809.

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Brieftext

[ Bayreuth, 2. Nov. 1809 ]

Die Regel muß nur so ausgedrückt werden: alle irregulären
Verb. auf e, die in der 3ten Person des Präsens i haben statt e
und ein a im Imperfekt.; z. B. geben, gibt, gib. Hievon gibts
keine Ausnahme: z. B. helfen, sterben, befehlen, schelten (er
schrecken, schmelzen als neutr. als Aktiv aber erschreckt dich, schrecke. So wie wieder stehen, wenden,
senden etc. weil es nicht stieht hat (außer in Hof), auch nicht stieh (wiend) hat
außer in Hof.
35 , nehmen, werfen, werben, bergen,
bersten, gelten, essen, fressen, messen, verderben, sehen. — Hin
gegen die andern irr[egulären] V[erba] haben wegen der Regel
mäßigkeit oder auch aus J-Mangel des Praesens auch keinen
solchen Imperativ: gehen, heben, brennen 〈ging, hob, brannte〉,
reiben, springen, triefen, sprießen, fließen, ringen, singen, saufen
(säuft), laufen, stoßen, blasen, tragen, hängen etc. durch alle Vokale
durch. Auch hier gibts keine Ausnahme, ausgenommen kaum ge
bären 〈gebar〉, gebiert; denn ich kann und soll auch sagen: gebier.
Du siehst, wie schon hier das ins a verschmolzne e zu wirken an
fängt; wieder in hängen; er hängt, daher hängeaber die Ursache ist: hängen hat nicht hang, sondern hing; so regelrecht
ist die Sprache.
. So ist die Sache
rein abbestimmt; und so muß es der Franzose auch gemeint haben.


Habe voraus Dank.

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Berlin JP. Präsentat: Donnerstag, den 2 Nov. 9. 63,35 und ein a im Imperfekt.] nachtr. 64,5 oder auch aus J-Mangel] nachtr. 6 gehen, heben, brennen] aus legen 9 gibts] aus giebts gebären] aus gebähren 10 und soll] nachtr. 33f. wenden, senden] aus legen wiend] aus wiendt

Vgl. Nr. 226. Den in Hof üblichen schwachen Imperativ von starken Verben, z. B. helfe, werfe, gebe statt hilf, wirf, gib, hatte J. P. selber früher oft gebraucht, bis ihn Hofrat Schäfer in dem undatierten Brief von Ende 1795 (IV. Abt., II, Nr. 68) auf den Fehler aufmerksam machte; vgl. Bd. IV, Nr. 238. Vereinzelt fällt er aber auch später noch in den Fehler zurück, z. B. in der Konjekturalbiographie (1799), vgl. I. Abt., VII, 468, 21 „mess’“ für miß, 499, 18 „lese“ für lies.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VI_173.html)