Von Jean Paul an August Leopold Emil. Bayreuth, 10. Juni 1810.

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Brieftext

Durchlauchtigster Souverainer Herzog,
Allergnädigster Souverainer Herzog und Herr!

Die vereinigte Bitte eines Franzosen und eines Deutschen wagt
sich vor Ihro Hoheit, Villers und die meinige; auch so die ver
einigte Hoffnung, denn Villers versteht soviel Deutsch und Poesie,
daß er sogar Ihre Werke verehrt. —

Der große Schlötzer in Göttingen hinterließ bekanntlich mehr
Erben als Erbschaft und Deutschland gab wol seinen Büchern
Buchbindergold, aber dem Verfasser wenig anderes. Nun wurde
jetzt durch den Verkauf seines Hauses seine jüngere oder jüngste
Tochter ausgetrieben — Lisette —, welche nun nirgends in Göt
tingen wohnt als in vier vortrefflich eingerichteten Kammern in
Gotha, in welche man bekanntlich das — Herz eintheilt. (Ver
zeihen Ihro Hoheit diese Wendung nach so vielen ähnlichen in
meinen Büchern.) Sie ist nämlich die wärmste Liebende und Ge
liebte und Versprochne des Rentenkommissärs Gelbke bei Ihrer
Kammer. Beide dachten bei ihrer Liebe an eine edlere Silber-
hochzeit als die metallische ist, womit man so oft Ehen anfängt.
Aber Ihro Hoheit können die Sonne sein, welche beiden, nur an
Liebe Reichen die Rosenknospe der Liebe zum Rosenfeste der Hoch
zeit aufschließt, wenn Sie — hier müssen ich und Villers in die
Rentei-Prose herab — dem guten Gelbke die Jahre hindurch, eh’
er avanciert, einige 100 rtl. bewilligen wollten. Er selber ist zu
furchtsam, diese Bitte nur zu denken, geschweige zu thun; auch
schrieb der edle Villers ohne dessen Mitwissen an mich. Villers
und meine Bitte und Hoffnung ist, daß der deutsche Fürst deutsche
Fürsten ergänzt und von deren Schulden an Schlötzer etwas an
dessen Tochter abträgt — daß der, der die Liebe so zaubernd be
sungen, sie auch beglückt — und daß auch hier Sie Sie sind.


Ein Blättchen von Ihnen kann auf seinen Flügeln grosse Freuden
für viele tragen, für vier Menschen wenigstens.

Bayreuth am ersten Pfingstfeiertag
[ 10. Juni] 1810

Euer Hoheit
unterthänigster
Jean Paul Fr. Richter

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: DLA, Marbach; ehem. Prof. Ernst Küster, Gießen. 4 S. 4°. K (Konzept mit zahlreichen Korrekturen): Herzog v. Gotha 10 Jun. J: Wahrheit 7, 162. A: IV. Abt., VI, Nr. 83. 108,12 Die v. Bitte] aus Zwei v. Bitten K 13 so die] aus haben wir beide K 21 vier] aus zwei K vortrefflich] trefflich K 22 Verzeihen bis 24 Büchern.] aus Rechnen Ew. diese Wendung unter die Sünden, die Sie schon meinen Werken verziehen haben. K 25 Versprochne] verb. in Verlobte danach gestr. eines Dieners von Ihnen K 26 Kammer] danach gestr. den und dessen Vater Sie gewiß kennen, da Sie das Fernste kennen K Beide bis 27 anfängt.] zuerst Aus Silberhochzeiten ohne Silber und Gold werden am leichtesten Silberhochzeiten im höhern [Sinne]. K 28f. nur an Liebe Reichen] zuerst Reich-Armen K 29f. Hochzeit] aus Ehe aus Liebe K 31 Rentei-] aus Kammer- K 32 Er] aus Der Bräutigam K 109,1 ergänzt] aus ergänze KH, aus ersetze K von bis 2 abträgt] aus wenigstens an die Nachkommen des großen Schlötzers für jene bezahle K 2 zaubernd] aus so schön K 3 beglückt] davor gestr. von oben herab K sind] aus sein K

Der Herzog schickte den Brief zurück (s. Nr. 293), der sich daher früher in Jean Pauls Nachlaß befand. Villers war mit der ältesten Tochter Schlözers, der gelehrten Dorothea, eng befreundet. Diese war mit dem Lübecker Senator von Rodde verheiratet, der damals (1810) in Konkurs geraten war.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VI_279.html)