Von Jean Paul an Friedrich Schlegel. Bayreuth, 1. August 1812.

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Brieftext

Baireuth d. 1. Aug. 1812

Es ist noch immer ein Glück, lieber Fr. Schlegel — der jetzt viel
zu wenig schreibt —, daß ich mit der Hälfte meines Aufsatzes durch
vier Zensuren durch und zum Druck gekommen bin, durch die innere
politische, durch die äußere-politische, durch die katholische und durch
die ästhetische, wenn sie anders H. v. Steigentesch hat, von welchem
jedes Lustspiel zehn mal besser ist als sein passives, sein Aufsatz in
Ihrem Museum über die deutsche Kunst.

Die neue Ausgabe Ihrer Gedichte hab’ ich leider im Bücher
dürftigen Baireuth noch nicht vorbekommen.

Von Ihrem Museum hab’ ich durch Ihre Güte — die ich aber
einzuhalten bitte — nur bis zum Monat April die Hefte erhalten;
eben so der hiesige Leseklub.


Mein Wort über Hamanns Ausgabe war ein wahres. Der
bloße Besitz seiner Werke gibt kein Recht zur Herausgabe, seinem
Sohne ausgenommen. Die unzähligen literarischen Erläuterungen
könnte am besten Nicolai geben, sogar jetzt dem Hamann selber —
der oft seine eignen Anspielungen vergessen —, wenn er anders bei
ihm ist. Das Beste, Erlaubteste und Leichteste wäre, mit einer
bloßen Anthologie aus seinen Werken das Publikum auf dieses
über- und unterirdische Ophir hinzuweisen. Und doch wird wieder
diese Auslese schwer, da alles bei ihm Auslese ist. Ich wüßte aus
seinem ersten Buche (über Sokrates) nichts auszuziehen als das
ganze Buch selber. — Indeß warte man nur; dieser Polstern geht
uns nicht unter und er hat seinen Platz am christlichen Himmel.

Hier leg’ ich das Aviso der Anweisung an die Camesina’sche
Buchhandlung auf 25 Silbergulden bei. — Leben Sie recht wol!


Ihr
Jean Paul Fr. Richter

N. S. Ich hab’ es umgekehrt und dieses Briefchen beigelegt.


Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Nationalbibl. Wien. 3 S. 8°; 4. S. Adr.: Herrn Profess. und Hofsekretär Schlegel / Wien / d. E. K: Schlegel 1 August 1812 [nachtr. den 4ten ab]. i: Wahrheit 7, 292. J: Deutsche Rundschau, 175. Bd., S. 118f. (April 1918). B: IV. Abt., VI, Nr. 206. A: vgl. Nr. 211. 286,7 einzuhalten] aus innenzuhalten H 22 bei*) H (das Sternchen weist auf die Nachschrift hin)

Vgl. Nr. 629†. Fr. Schlegel hatte gemeldet, „die fünfte und stärkste Sphinx“ habe die Zensur nicht passiert und daher weggelassen werden müssen (wohl nur zum Teil, denn der Druck im Deutschen Museum enthält 5 Stücke); zum Ersatz möge Jean Paul ein kleines Manuskript von ähnlichem Umfange schicken, ev. einige Aphorismen aus den seltenen Schriften Hamanns mit eignen Noten, als Anfang einer Ausgabe von Hamanns Werken, zu der Jean Paul, wie er trotz seiner Entschuldigungen wohl selber fühle, moralisch verpflichtet sei. (Die Stelle von 286, 14 Das Beste bis 20 unter zitiert Schlegel in einem Aufsatz über Hamann im Deutschen Museum, 3. Bd., 1. St., Jan. 1813, S. 46.) Von dem Wiener Lustspieldichter Steigentesch stand im März-Stück des Deutschen Museums „Ein Wort über deutsche Literatur und deutsche Sprache“, das sich teilweise gegen Jean Paul — ohne ihn zu nennen — richtete; vgl. I. Abt., XI, 190, 16ff. (Vorschule der Ästhetik § 55).

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VI_660.html)