Von Jean Paul an Johann Friedrich Freiherr Cotta von Cottendorf. Bayreuth, 16. Februar 1813.
Brieftext
Hier endlich, lieber H. Doktor, ist die geschloßne Levana;
sammt
den Druckfehlern der Vorschule und
der Traumdichtungen. In
diesen Zeiten, wo zugleich Teufel und Engel lauter
Wunder säen,
muß man freilich auf das Aufgehen der Aussaat
warten; daher
ich die möglich-früheste Ausgabe der Levana in Ihre Hände mit
Vertrauen
auf Ihre Liebe gegen mich und das Buch und auf Ihre
politischen Blicke lege. Gedruckt mögen beifolgende Bände etwas
über 40 Bogen geben; ich bitte Sie daher um das Honorar der
Hälfte, nämlich angewiesene 60 Ld.
Sie fragen mit Recht, warum ich z. B. nicht Geistfreiheit schreibe.
Meine Antwort ist: ich schone, so gut ich kann, das Leserohr
und
will mir keine Stelle durch grammatischen
Eigensinn verderben.
Auch wart’ ich die Entscheidung der
Mehrheit ab. Daher schreib’
ich noch Kriegsamt anstatt
KriegamtÜbrigens übersah ich und nach mir der Setzer
viele zu tilgende S’s.; so (in den Traumdich
tungen) Frühgott es dienst des Lebens, anstatt Frühgottdienst, wie
Thierdienst. Ich schriebe gerne statt Vorbildungkraft
Vorbildkraft,
also auch Einbildkraft, wag’ es aber
nicht. Wolke hat ganz Unrecht,
die Mehrheit nicht für die Sprachgesetzgeberin anzuerkennen.
Wenn
er der Sonno und die Mon schreibt: warum nicht auch die Weib,
eine Mädchen? Apropos! Über seinen „Anleit“, den ich
schon
einmal besaß, haben Sie noch nichts verfügt. —
Ein komisches Taschenbuch mit Rambergs Nadel und meiner
Feder könnte durchaus nur auf 1815 gegeben werden. Fragen
Sie
doch (weil mir sein Wohnort unbekannt) diesen wahren
deutschen
Hogarth (der weit reicher und humoristischer ist als
Chodow[iecki]),
ob wir beide nicht besser mit einander eine fortgehende Geschichte
(wie
Hogarth oft) liefern würden und wer von uns die Geschichte
erfinden und wählen soll. Ich richte mich leichter nach ihm in meinem
freiern Spielraume als er sich nach mir in seinem engern.
Ich bitte Sie, mir mit Buchhändler Gelegenheit, des einzigen
unübertrefflichen Volkschriftsteller Hebels Schatzkästlein
(den
zweiten Band) zu senden. Den ersten hab’ ich fünfmal ge
lesen.
Nach meinem Aberglauben des Dualismus wird, da sich Karls
des Großen Geschichte bis sogar auf die Jahrzahl, wenn man
die
erste Eins wegstreicht, jetzo wiederholte, anno 1813 Friede wie bei
jenem
813. Dränge die Kriegsfluth über unsere Dämme: so dürft’
ich
wol Sie in Stuttgart öfter sehen und nicht blos schriftlich
wie jetzo sagen: guten Morgen!
Jean Paul Fr. Richter
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VI_731.html)