Von Jean Paul an Renate Otto. Bayreuth, 1. April 1806.

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Brieftext

Bayreuth d. 1. Apr. 1806

Liebe Renata! Ich hoffe nicht, daß Sie, (oder ich), mich in den
ersten des Datums schicken.


Meine Bitte ist diese — die Sie zu Ihrer an einen Bäcker
machen —:


Einen ordentlichen, unendlich-dünnen — ungefähr der Dicke dieses
Briefes ähnlichenDenn Höfer dicke Kuchen sind leicht überall nachzuschaffen, aber nicht dünne.
— herrlichen, bemandelten und berosinten — —


— Käsekuchen ...

— Der bloße Durchmesser meinen Arm lang oder länger


— Mit nächster Fahrpost hier ankommend —


— Doch aber zum Paquet gebrochen wie hier eine Serviette
oder in Hof eine Salvete —

— Ohne Schachtel — nur in Packpapier — mir zu schicken.

Mein Dank, Gute, soll größer sein als der Kuchen. Aber ich
brauche jetzt letzteren, so wie alle Höfer, d. h. auch Joditzer Speisen.
Man wird alt, mithin ein Kind, folglich will man den alten Vater
stadts-Brei.


Doch ernstlich, gute Renate! Ich wende mich mit meiner Bitte an
Sie, um die Freude zu haben, daß ich eine an meine unvergeßliche
Freundin thue, die mir, und der ich, leicht größere Wünsche erfüllen
würde.


Um mich vor mir selber zu entschuldigen, daß ich einer Hausmutter
gerade in der Zeit der Fest-Mühen und Plagen eine neue mache,
sag’ ich mir vor und Ihnen an, daß ich Ihnen nach einem halben
Jahre meine Erziehungslehre in 2 Bändchen, welche zur Michaelis
messe erscheint, als ein Andenken meiner heutigen Bitte schicken
werde; damit Sie doch nach so langer Zeit etwas Gedrucktes von
mir nicht nur lesen, sondern auch behalten.

Wie oft ich den Vorsatz gefaßt nach Hof zu kommen — d. h. zu
Ihnen — weiß niemand besser als der, der ihn so oft gebrochen. Der
Himmel aber wird Frühling geben und ätherblaues Wetter und
einen Einspänner für mich.


Mit Freuden hört’ ich Ihre glückliche Niederkunft und deren Vor
übergang, der sonst noch gefährlicher ist. Leben Sie wol und oster
festlich. Ich grüße Ihren guten Mann und die Kinder und Ihre Eltern.
Leben Sie wol, meine gute, liebe, liebe Renate!


Richter

N. S. Der April wird hell, blau, kalt, windig.


Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 5. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1961.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Berlin acc. ms. 1900. 64 (derzeit BJK). 4 S. 8°. K (nach Nr. 205): Renate 1 Apr. J: Täglichsbeck Nr. 36. A: IV. Abt., V, Nr. 89. 86,4 ähnlichen] aus gleichen H 12 Speisen] davor gestr. Essen H 17f. erfüllen würde] aus erfüllte H 28 ätherblaues] aus Himmelblaues H

86 , 26–29 Jean Pauls Handkalender von 1806 vermerkt eine Reise nach Hof v. 11. Juni, die aber vielleicht nicht zur Ausführung kam; vgl. 130, 17f., 135 , 10–12 .

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/V_207.html)