Von Jean Paul an Karl Friedrich Heinrich Graf von der Goltz. Bayreuth, 17. Juni 1806.
Brieftext
Ihr Brief gab mir einen Konzertabend wieder zurück, nicht den
musikalischen, sondern den geistigen. Wir sind über alles einig und
es fehlt nichts dazu als die Einigkeit des Schicksals. Der
größte
Feind der schönen R[osalie]
ist der König von Schweden, der
Preussen im Panzer erhält. Wie wol würd’ es uns allen
thun,
Sie statt unter November- und Kriegswolken mitten im
Frühling,
der uns mit seinen Gärten und Bergen umringt, zu
sehen. Ihr Brief
war der 2te, ja
einzige Frühling für die leidende R., welche, wie die
Liebe thut, auch dann zu misfallen fürchtete, wo sie nur sich
auf
opferte. Sie nahmen ihr diese
Furcht. Jetzt lächelt sie still vor den
Eltern, um keinen
Schmerz zu zeigen und zu geben, und leidet ver
hüllt. Sie hat mehr Erinnerung des Glücks
als Hoffnung desselben.
Nur daß sie weiß, daß ich an Sie
schreibe — obwol dieß nichts
in der festen Lage der Sache
ändern kann — dieß ist für sie ein Ge
rüst [?] der öden Gegenwart; und wär’ es
auch nur dadurch daß
ich nach Ihrer Antwort ihr sagen könnte,
wie Sie jetzt leben.
Möge die Freude Sie unter Ihrem Zeit- und Amtsdruck trösten
und
möge Ihnen ein Frühling kommen, den Sie vertheilen und ver
doppeln können!
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/V_223.html)