Von Jean Paul an Erbprinz von Mecklenburg-Strelitz Georg (George). Bayreuth, Dezember 1804.
Brieftext
Wenn Ihre Durchlaucht diesem Blatte die Rechte eines Zimmers
der Frau v. Berg zulassen: so ist es mir erlaubt, Ihnen hier
zu be
gegnen und Ihnen zu Ihrer
Antiken-Reise Glück zu wünschen so
wie Ihren Freunden und
Verehrern zu Ihrer Rückkehr. Ich war
gerade mit Ihnen in
Italien und begleitete und wiederholte alle
Ihre Entzückungen über dieses Reich der Schönheit, die dort
wie
ein Proteus sich bald in Stein, bald in Ruinen, bald in
Menschen,
bald in Farben, bald in Fluren verwandelte — ich
schrieb nämlich
während Ihrer Ferien den vierten Band Titans, der Italien malt.
Mög’ er das Ihrige getroffen haben!
Ohne zwei Gründe, wovon nur der erste der wichtige ist, hätt’
ich Ihre Durchlaucht nicht an mich erinnert, da ich weiß, daß Sie ein
Gedächtniß nicht nur für Schönheit, sondern auch eines für die
Ge
sinnung und die Freunde der
Schönheit haben. Die erste Bitte —
diese ist der erste Grund —
thut das beigelegte Blatt an Sie; die
Nachkommen des großen Herders verdienen, daß man wenigstens
vom Grabe desselben, das ihr trauriger Ruhesitz nun ist, die
äussern
Dornen nehme und die entflogne Seele in denen belohne, die
er
liebte.
Kaum schickt sichs nun, meine Bitte zu wagen. Ich wohne jetzt
in dem Lande des guten Königs — er versprach mir ein Kanonikat —
sollt’ er meiner vergessen haben, so glaub’ ich, dürften Sie
sich nur
meiner erinnern; — und er dächte an mich —
Werde mir dieses Blatt von Ihnen vergeben, in welchem mein
Herz
Ihnen wol wichtigere Dinge hätte zu sagen gehabt, die aber
die
Nachbarschaft des Bedürfnisses ausschloß! —
Immer thue sich vor Ihrer schönen Seele ein schöner Weg des
Lebens auf.
1804
unterthänigster
Jean Paul Fr. Richter
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/V_43.html)